Tag 0: Die Vorbereitungen laufen …

Am 2. Juni 2017 starten wir in unser neues Camino-Abenteuer: den Camino Norte – den Küstenweg von Irun nach Santiago de Compostella. Dieses Jahr werden wir in 17 Tagen von Irun nach Santander pilgern. Der restliche Weg folgt in den kommenden Jahren.

Am 1. Juni geht es mit dem Zug erstmal nach Berlin. Von Schönefeld startet unser Flieger am Freitag früh nach Bordeaux und von da fahren wir bis zur französisch-spanischen Grenze mit der Bahn.

Tag 1: von Berlin nach Irun

Nach einem langen Tag sitzen wir jetzt oberhalb von Hondarriba auf der Terrasse unserer Pension und genießen einen leckeren Rotwein aus Navarra.

Bahnhof in Bordeaux

Mit einer Stunde Verspätung startete unser Flieger heute Morgen in Berlin. Nach der Landung in Bordeaux ging es erstmal mit einem Bus 50 min. bis zum Bahnhof in Bordeaux.

Für 1,50 Euro zwar sehr günstig, aber die Fahrt dauerte ewig. Am Bahnhof lösten wir ein Ticket nach Irun mit dem TGV für gerade mal 23 Euro. Dafür durften wir dann 2,5 h sehr bequem nach Süden fahren. Ankunft kurz vor 19 Uhr in Irun. Die Wolken hängen tief in den Bergen und über der Bucht von Irun. Wir beschließen, den Weg zur Pension pilgerunüblich mit dem Taxi zu nehmen. Baguette, Käse und Oliven haben wir mitgebracht, die Flasche Wein von der Herbergsmutter.

Ein Pärchen aus der Nähe von Stuttgart sitzen schon auf der Terrasse. Sie sind 2009 in Stuttgart gestartet und laufen jedes Jahr 2 Wochen weiter.

Ein schöner Beginn unserer Pilgertour…

unser Zimmer in der Herberge Postigu
Blick von der Terrasse zum Meer (bei schöner Sicht)

Tag 2: von Irun nach San Sebastian (22 km)

Eigentlich ist die erste Etappe zwar anstrengend aber landschaftlich wunderschön. Eigentlich…

Leider begann der Tag mit strömenden Regen.

So begann der Morgen…

War aber erstmal nicht weiter schlimm. Wir frühstückten ausgiebig und verbrachten den Vormittag mit sehr interessanten Gesprächen mit anderen Pilgern auf der Terrasse unserer Herberge.

Halb 11 wurde es etwas heller und wir entschieden aufzubrechen. Der Weg bis zur Iglesia de la virgin de  Guadalupe war sehr ausgewaschen aber gangbar.

In der Kirche hat Carsten in einem Gebet alle Wünsche für uns und unsere Lieben ausgedrückt.

Bestimmt hatte er das Wetter vergessen. Denn als wir raus kamen, regnete es gleichmäßig stark. Nun gut. Regencapes über und weiter ging’s.

Der Weg war anfangs eigentlich schön. Der Ausblick gleich 0, aber wir freuten uns auf unser Abenteuer. Mit einem jungen Pärchen aus Hameln gingen wir die nächsten Kilometer.

Unterwegs

Nach ca. 13 km erblickten wir tief bergab ein kleines romantisches Fischerstädtchen Pasajes de San Juan.  Hier wurden bei einem ausgiebigen Mittagessen die Akkus aufgeladen. Das war dringend nötig. Wir waren ganz schön platt. Der bisherige Weg hatte zwar relativ wenig Steigungen, dafür war er mit Steinen übersät und man musste vorsichtig gehen. Wir haben uns dafür mit einem Mittagsmenü belohnt. Salat, Carpaccio, Bacalhau mit Pimentos und Kartoffelscheiben sowie ein Dessert. Cidre, das baskische Nationalgetränk, und ein Bier – mehr braucht man nicht. Unsere 2 Gefährten aus Hameln haben nach dem späten Mittag die Etappe beendet. Wir haben uns in eine kleine Fähre – eine Nussschale – gesetzt und wurden auf die andere Uferseite gebracht.

Fährmann setz über

Am Ufer eines Flusses entlang bis zum Meer und dann 400 Stufen hinauf. Danach ging es 7 km bis San Sebastian immer oberhalb des Meeres mit Blick auf die Felsenküste entlang. Der Weg schien gar nicht enden zu wollen. So schön er war, so sehr gingen uns die Kräfte langsam aus. Und dann – die Sonne kam ein klein wenig raus – wir stehen auf einem Berg und sehen auf die tolle Bucht von San Sebastian.

San Sebastian

Bis hier ging alles gut. Es war zwar durch den Regen sehr glitschig, aber unsere Trecking-Stöcke haben uns sicher laufen lassen. Und dann ist Martina beim Abstieg auf dem nassen Lehmboden doch weggerutscht! Zum Glück ist der kleine, vom Handball bereits 3 x gebrochene Finger scheinbar nur geprellt worden. Auf der schönen Promenade ging es direkt zur Touristinfo. Einmal nach unserer Pension fragen und ein paar Schritte durch die Altstadt und schon stehen wir vor der ersehnten Pension. Unsere stinkende vollgeschwitzte und matschige Wäsche ist nun schon im Trockner und wir sind geduscht. Der Blog ist geschrieben und wir gehen nun in der Altstadt um die Ecke etwas essen und ein Bierchen oder Glas Rotwein trinken….

Distanz: 22,4 km / Höhenmeter: 800 m / Laufzeit: 05:22

 

Tag 3: von San Sebastian nach Zarautz (24 km)

Die letzte Nacht in der Pension Goiko (60 Euro inkl. Wäsche waschen und Trocknen) mitten in San Sebastians toller Altstadt war recht kurz, da sehr laut. Erst waren es die Nachtschwärmer, dann die Müllautos und Kehrmaschinen, die ab 5 Uhr die Spuren der Nacht beseitigten.

Nach einem Frühstück in einer Bar gingen wir für einen kurzen Moment in die Kathedrale bevor wir in den Tag starteten.

San Sebastian

Stark bewölkt aber kein Regen und 15 Grad. So blieb es auch – für die ersten Kilometer. Breite und gute ausgeschilderte Wege erleichterten dazu das Laufen. Der Weg ist meistens mit gelben Pfeilen markiert. Die Pfeile zeigen immer nur in Richtung Santiago de Compostella. Der Rückweg ist nie ausgeschildert …

Wir genießen es immer wieder, das Meer an unserer rechten Seite zu hören, zu riechen, zu spüren und auch zu sehen – auch wenn die Sonne (noch) nicht scheint.

Heute haben wir wenig Pilger getroffen. Es liegt vielleicht daran, dass wir bisher nur in Pensionen übernachten oder aber auch an dem Regen, weil alle schnell in die Unterkünfte gehen. Carsten würde ja überall übernachten. Aber wir haben den Kompromiss geschlossen, dass wir private Pilgerherbergen, Pensionen oder Hostels – wenn vorhanden – vorziehen.

In Pilgerherbergen kann man für 5-10 Euro bereits schlafen, teilt sich aber mit beiden Geschlechtern und meist um die 6-10 oder mehr Personen einen Raum. Aufgrund der Preise ist eine Pilgerherberge insbesondere für Einzelpilger, die längere Zeit unterwegs sind, erste Wahl. Sie bieten den großen Vorteil, dass man mit anderen Pilgern schnell in Kontakt kommt.

Aber zurück zum Weg: Ein riesiges Regengebiet verschlang die Region und wir stapften bei 13 Grad und viel viel Nass von oben auf kleinen schmierigen Singletrails bzw. über alte glitschige Pflastersteine bergauf und steil bergab die letzten 3 Stunden bis zur nächsten Ortschaft Orio. Hier gab es eine Pizza als Stärkung.

Da wir nass bis auf die Knochen waren und die Prognose noch mehr Regen versprach, beschlossen wir, für die letzten 8 km den Zug nach Zarautz zu nehmen.

Zarautz ist ein netter Badeort, die Surfer sind aber heute die einzigen Wasserratten. Man nennt es auch das Hawai des Baskenlandes. Es war eine tolle Brandung, die auch schon in San Sebastian trotz stark bewölktem Himmel die Surfer lockte.

Am Strand von Zarautz

Die kleine sehr nette Pension Lagulak ist heute unsere Bleibe. Eigentlich waren sie ausgebucht; eine Kellnerin hatte uns bereits abgewiesen – da lief uns eine andere auf der Straße hinterher und bot uns ein DZ für 50 Euro an – Glück und Jakobus muss man haben. Aber nur weil wir Pilger sind und versprachen, morgen 7.30 Uhr die Pension zu verlassen bevor die Handwerker kommen, haben wir das nette Zimmer bekommen.

Generell ist das Baskenland und Kantabrien recht teuer. Kein Vergleich zum Camino Portuguese. Aber das soll wohl etwas günstiger werden, je weiter mal nach Westen kommt, in Asturien und Galicien.

Distanz: 16,8 km / Höhenmeter: 563 m / Laufzeit: 04:10

Tag 4: von Zarautz nach Deba (23 km)

Es hat den ganzen Abend noch geschüttet. Lediglich zum Abendessen haben wir uns rausgewagt. Dank TripAdvisor landeten wir in einem einfachen, guten, spanischen Lokal, Euskalduna Taverna. Fischsuppe,  von der man und frau eigentlich schon satt war und für Carsten  Nudeln mit frischen Pilzen und für mich gegrillter Tintenfisch. Super lecker. Nachdem wir pünktlich 7.30 Uhr unser Zimmer verließen, ging es in die erste Bar zum Frühstück. Frühstück ist wirklich früh gewesen und nur ein Stück vom normalen Frühstückstisch 😉

Und es war kaum zu glauben, die Sonne brach sich durch die dicken Wolken. Bei 17 Grad und Sonne konnten wir endlich von unserer Umgebung etwas wahrnehmen.

Abmarsch um 7.30 Uhr – die dunklen Wolken lassen wir hinter uns

Die ersten 4 km gingen am Meer entlang bis Getaria. Die Wellen und die Brandung waren direkt unter uns. Jede Menge Spanier waren wie auch in den letzten Tagen zum Frühsport auf den Beinen! In Getaria gab es die erste Rast bevor es weiter durch Weinberge in Sichtweite zum Meer ging. Wir haben heute alle 4-5 km eine kleine Rast in kleinen Bars gemacht. Das kam die letzten Tage im Regen zu kurz. Die kleinen Pausen taten uns gut.

Ein ständiges auf und ab durch Felder, Weinberge, Wälder (u. a. Eukalyptus). Viele Wege waren vom Regen der letzte  Tage ganz schön matschig. Wenn es dann noch bergab ging, brauchte man schon die Treckingstöcke um nicht zu fallen. Und auf jedem kleinen Berg gab es das Meer zur Belohnung. Die beste Belohnung gab es zum Schluss in Deba. Da ging es mit 2 Fahrstühlen bergab in den Ort.
Die Aufzüge in Deba

Heute haben wir in der Touristinfo nach einer Pension gefragt und uns angesichts des Preises für die Pilgerherberge entschieden. Eine gute Wahl, da wir unterm Dach eine schöne Ecke bekommen haben und Iris aus Spanien und Debby aus den USA kennen gelernt haben. Mit Iris haben wir gleich die Wäsche in der Maschine gewaschen und getrocknet. Nachher gehen wir zusammen noch zum Abendessen- Pilgermenü. Pilgermenü ist hier selten aber auf dem Camino Frances und Portuguese gibt es das fast überall. Für ca. 10 € gibt es eine Vorspeise mit Hauptgericht und 1/2 Flasche Wein😉

Die Herberge ist im 1. und 2. OG des Bahnhofs. Eine gute Idee den Bahnhof zu nutzen. 5 € sind für eine saubere neue Herberge mit Waschmaschine, Trockner, WI-FI und Einweg-Bettlaken ein Schnäppchen. Und man lernt alle Pilger kennen – wenn man will😃

Wollt ihr mal sehen wo die Pilger ihre Schuhe hinstellen damit es in den Schlafräumen nicht so stinkt?😨

Unser Bett – zum Glück in einer Nische mit Fenster

Unser Pilgerausweis, ohne den man in keine Herberge kommt, füllt sich gut. Jeden Tag lässt man sich einen Stempel in der Herberge, einer Pension, Kirche oder Touristinfo geben. Damit kann man in Santiago de Compostella beweisen, dass man den Camino gegangen ist. Man muss zu Fuss mindestens 100 km, als Radfahrer mindestens 200 km nachweisen, um eine Pilgerurkunde, das Credential, zu bekommen. Die gibt es in 2 Ausführungen – für die, die aus religiösen Motiven pilgern eine schöne Urkunde. Für alle anderen gibt es eine schlichtere Ausführung. Auf der steht dann u. a. in Latein, dass man den Jakobsweg von … bis Santiago de Compostella gepilgert ist.

Weil immer mal die Frage kommt, ob es nicht manchmal stressig ist, diesen Blog zu schreiben… Nein, ganz im Gegenteil. Für uns ist es eine wunderbare Möglichkeit, den Tag Revue passieren zu lassen und keine der vielen kleinen Geschichten vom Wegesrand vergisst. Z. B. die Amerikanerin aus Ohio, die tanzend und laut singend den Weg lief. Sie lebt in Mexiko und läuft den Camino Norte komplett allein. Martina gab ihr den Namen Cheryl – nach dem Buch „Der große Trip“ (ein absoluter Buchtipp!) – die Ähnlichkeit war erstaunlich.

Manche Info auf dieser Seite hatten wir evtl. schon beim Camino Portuguese geschrieben. Aber wir haben doch einige neue Leser hinzubekommen 😏

Distanz: 23,1 km / Höhenmeter: 786 m / Laufzeit: 05:12

Tag 5: von Deba nach Markina Xemein (24 km)

Ein Nachteil von Pilgerherbergen ist, dass es immer wieder Pilger gibt, die am liebsten im Dunkeln ihre Etappe beginnen. So auch heute morgen…

Aber alles in allem war unser Aufenthalt im Bahnhofsgebäude von Deba mehr als in Ordnung. Eine gepflegte Herberge, angenehme Pilger und ein nettes Abendessen mit Iris bei leckerem Wein und Hake-Fisch (Seehecht).
Nach einem obligatorischen Cafe con leche und einem Croissant sattelten wir die Rucksäcke und hüllten uns auch leider wieder in unsere Regencapes. 16 Grad und immer wieder Regenschauer waren heute auf DER Königsetappe (aufgrund der Länge, Höhendifferenzen, Wegbeschaffenheit und ohne Einkehrmöglichkeit) vom Camino Norte unsere ständigen Begleiter. Ein ofenfrische Baguette und ein Chorizo sollten als Stärkung dienen.

Bei Kilometer 2 gab es nochmal einen Blick zurück aufs Meer, der für die nächsten 3 Tage der letzte war. Der Camino verläuft auf den nächsten Kilometern im Landesinnern vorwiegend durch Wälder.

Blick zurück auf Deba

Unser Weg heute führte uns wiedermal steil bergan (z. B. 300 Hm auf 1,3 km) bis 504 m über dem Meeresspiegel und bergab auf teils Beton- aber vor allem schlammigen Waldböden.


Erschwerend kam hinzu, dass es auf der 24 km langen Etappe lediglich zu Beginn nach 5 km eine Bar gab. Durch den Regen gab es kaum eine Chance, im Wald mal eine Rast zu machen. 

Weil wir heute Morgen später als die meisten Pilgern starteten, haben wir so einige überholt. Wir schätzen, dass derzeit ca. 40 Pilger täglich auf unseren Etappen laufen.Der Großteil läuft einen Schnitt von ca. 3,5-4 km/h – wir sind etwas schneller mit 4-4,5. So findet jeder sein ganz eigenes Tempo. Gestern und auch heute trafen wir immer mal wieder auf eine Holländerin, die uns beide sehr an unsere Freundin Gundel erinnert, sowohl vom Äußeren als auch von ihrer Art. Gundel, Du scheinst in Holland eine Doppelgängerin zu haben 🙄

Nach ungefähr der Hälfte tauchten ganz unvermittelt mitten im Wald eine ganze Horde Light-Pilger auf, erkennbar an den kleinen Tagesrucksäcken bzw. heute an den überaus sauberen Schuhen und Hosen. Es stellte sich heraus, dass es eine Gruppe von 32 Schwaben war, die irgendwo im Wald für 1-2 Stunden aus dem Bus geworfen und später wieder eingesammelt worden. Wer sich für diese Art von Pilgern interessiert: das bayerische Pilgerbüro organisiert auf verschiedenen Jakobswegen zahlreiche geführte Pilgertouren mit Gepäcktransport und Hotelübernachtung. Aber sicher gibt es auch andere Anbieter, die kleinere Gruppen führen. Wir jedenfalls waren sehr froh, als wir das Feld der 32 aufgerollt hatten und wieder allein und leise im Wald waren.

Heute Mittag waren wir um 14 Uhr am Tagesziel, erschöpft und mit leeren Akkus. Markina ist eine Stadt mit 4.800 Einwohnern und ist umgeben von 2 riesigen Steinbrüchen.

Der erste Blick auf Markina
Marktplatz in Markina-Xemein

Unser Pilgerführer empfahl die Übernachtung im Kloster oder in einer privaten Herberge. Wir haben uns fürs zweite entschieden und sind sehr froh über unser kleines Doppelzimmer im Dachboden eines Mehrfamilienhauses. Gleich werden wir zum Pilgermenue gehen und sicher den einen oder anderen Pilger wiedertreffen.

Noch ein Wort zum Regencape: aus Erfahrung wird man/frau klug. Der Poncho von Quechua hat sich bewährt. Es hat viel Platz für den großen Rucksack, hat Arme und zieht es wie eine Jacke an. Der Reißverschluss ist genial. Zudem gibt es ihn für verschiedene Körper- und Rucksackgrößen.

Aber ab morgen sollen wir es angeblich nicht mehr brauchen. Da soll die Sonne scheinen …

Ein Blick auf unser Pilgermenü:

Vorspeise: Makkaroni bzw. Fischsuppe
Hauptgang: Pimentos mit Bacalhau gefüllt

Dazu gab’s eine Flasche Rotwein und Flasche Wasser für beide für 10 Euro pro Person.

Distanz: 23,5 km / Höhenmeter: 925 m / Laufzeit: 05:16

Tag 6: von Markina Xemein nach Gernika (24 km)

Heute morgen haben wir beide mit den Nachwehen der letzten anstrengenden Etappen zu kämpfen gehabt – vor allem die Knie schmerzen bei den Wegen bergab. Blasen haben wir zum Glück keine.

Aber nichts desto trotz starteten wir halb 8 in einen sonnigen Tag. Mit 20 Grad perfekt. Für die Knie gab es Voltaren.

Unser erstes Etappenziel war das Kloster Zenarruza.

Hier hätte man im Kloster übernachten und mit den Mönchen beten und essen können. Eine der Kult-Herbergen auf dem Camino Norte… Es war gestern nur zu weit bis hier her.

Immer wieder phantastische Häuser am Wegesrand

Die Wege waren heute nicht mehr so schlammig, meist waren sie breit und wunderbar zu laufen – auch wenn es auch heute wieder sehr oft hoch und runter ging. Die Sonne hat schnell den Schlamm der letzten Tage ausgetrocknet. Es ging wieder fast ausschließlich durch Wälder. Und wie gestern gab es unterwegs nur einen Ort, in dem man sich versorgen konnte.  Die übrigen Orte waren eher kleine Bauernschaften.

Pilgertreffen im Wald an einer alten Brücke

Anders als gestern haben wir heute unterwegs nicht so viele Pilger getroffen. Es waren wohl viele entweder ganz früh oder nach der schweren Etappe von gestern später gestartet. Aber trotzdem trifft man immer wieder Pilger, grüßt sich mit „Bon Camino“ und spricht vielleicht etwas. Zum Beispiel haben wir uns mit einer Mutter und Tochter aus Irland unterhalten, die ihr Gepäck von Ort zu Ort liefern lassen und nur Tagesrucksäcke dabei hatten. 20 € je Rucksack und Tag kostet der Spaß.

Wir dachten, dass wir 3 Tage das Meer nicht sehen werden. Aber heute gab es auf einem Berg dann trotzdem die Aussicht auf das Meer 😃

Unser heutiges Ziel haben wir gegen 15 Uhr erreicht. Die Stadt Gernika hat 16.000 Einwohner und ist berühmt für seine traurige Geschichte. 1937 während des spanischen Bürgerkriegs hat die deutsche Legion Condor die komplette Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Einziges Ziel war die Erprobung neuen Kriegsgeräts und moderner Taktik des Luftkrieges für den Krieg. Spreng- und Brandbomben zerstörten 80 % der Gebäude, hunderte Menschen verloren ihr Leben. Perfide… Ein Museum für den Frieden gedenkt der Geschichte. Und natürlich kann man das berühmte Bild von Pablo Picasso „Gernica“ hier sehen.

Unseren Schlafplatz fanden wir in der Jugendherberge im Ort. Wir sind allein in einem 4-Bett-Zimmer 😀. Unser Abendessen haben wir uns in der Jugendherberge auf der Terrasse zurecht gemacht. Das ist mit das Beste am Camino. Jeder hat etwas eingekauft. Jeder gibt dem Anderen und bekommt auch von den Anderen. Wir hatten einen internationalen Tisch eröffnet. Holland (die holländische Gundel heißt Ann), Korea, Spanien und Thüringen😉 Und natürlich haben wir untereinander unsere schönen Erfahrungen vom Camino ausgetauscht.

Morgen haben wir nur die Möglichkeit etwa 20 km zu laufen und eine Herberge, in der es aber nur 20 Betten gibt, zu finden. Oder wir laufen 13 km weiter bis Bilbao oder Jakobus hilft und hat eine Überraschung für uns. Unser internationaler Abendtisch ist überzeugt, dass Jakobus uns hilft und überrascht.

Danke für die Kommentare und E-Mails, die uns zu unserem Blog erreichen. Es ist toll, wie viele Menschen uns „begleiten“.

Distanz: 21,4 km / Höhenmeter: 769 m / Laufzeit: 04:58

Tag 7: von Gernika nach Bilbao (31 km)

Start in der JH war 7.30 Uhr. Wieder waren fast alle Pilger bereits ausgeflogen. Einige von ihnen hatten sich heute Bilbao zum Ziel gesetzt – 31 km. Und das bei 27 Grad und Sonne. Unabhängig davon, dass die meisten Pilger schon gegen 7 Uhr starten, lässt sich diese lange Etappe bei den Temperaturen auch nicht meistern. Wir wandern übrigens ca. 4 km in der Stunde. Mehr ist mit Gepäck und dem Streckenprofil nicht möglich.

Blick zurück nach Gernika

Mit müden Beine ging es die ersten 4 km wiedermal steil bergan. Der Blick zurück auf Gernika entschädigte den Anstieg etwas.

Es gibt Menschen, die anderen Leuten Freude schenken. Zum Beispiel standen heute mehrere solcher Tische am Wegesrand. Dankbar haben wir das Angebot mit frisch aufgeschnittener Melone angenommen.

Verpflegung am Wegesrand

Und es gibt Menschen, die nur durch einen Blick Freude schenken können. So geschehen heute mitten im Wald, als wir ein älteres Pilgerpärchen überholten. Im krassen Gegensatz dazu hatten wir heute Morgen eine kurze Begegnung mit einem jungen Deutschen – der die Erwähnung aber gar nicht wert ist.

Und wenn wir gerade bei Menschen sind: die baskischen Menschen entlang des Weges wirken alle sehr ernst und verschlossen. Das haben wir vor 2 Jahren anders erlebt. Aber natürlich gibt es auch hier freundliche Menschen…

Auch auf dieser Etappe gab es keine Einkaufs- und Einkehrmöglichkeit. So mussten uns Obst und Fruchtriegel reichen. Trinkwasser kann man dagegen öfter an kleinen Wasserstellen zapfen, die in der Nähe von vereinzelt stehenden Wohnhäusern installiert sind. In unserer Offline-Karte von OpenStreetMap kann man die Wasserstellen auch vorher schon finden. Wer oft im Wald unterwegs ist, sollte sich diese kostenlosen Karten, die viel genauer als Google Maps sind, anschauen.

Ein Problem sind auch auf diesem Camino die Hofhunde. Es gibt einige, die nur faul rum liegen, andere, die dich aufmerksam beobachten, wenn du am Grundstück entlangläufst – und dann gibt es vor allem die kleinen Möchtegernhunde, die mit ihrem Gekläffe nerven und dich verfolgen. Es gibt wohl kaum ein Patentrezept. Wir halten unsere Stöcke fest am Körper und versuchen ohne Blickkontakt vorbei zu kommen. Heute misslang dies. Der Köter verfolgte uns zähnefletschend und sehr aggressiv. Unsre Stöcke dienten als Abwehrschild und unser Anschreien hat irgendwann zum Glück geholfen. Ein spanisch-deutsches Mädelspärchen musste sich richtiger Beißattaken erwehren. Alle Pilger, mit denen wir heute sprachen, konnten das gleiche Lied singen…

Wir kämpften uns Kilometer für Kilometer voran. Nach 17 km kamen wir nach Larrabetzu, einem kleinen netten Städtchen. Ein kühles Getränk gab’s zur Erfrischung und Pläne wurden auch mit anderen Pilgern geschmiedet, wie der Tag weiter geht. Da der Weg nach Bilbao ab hier durch Industrie- und Gewerbegebiete führt, haben wir uns die restlichen Kilometer geschenkt.

Marktplatz im süßen Örtchen Larrabetzu

Mit dem Bus ging es also die 14 km nach Bilbao Zentrum (für 1,30 Euro p. P.). Frohen Mutes, wenn auch fußlahm, ging es auf direktem Weg in die Touristinfo. Wer denkt, dass ein Touristenbüro Übernachtungmöglichkeiten vermitteln kann (wie z. B. in Erfurt), der ist in Bilbao schlecht aufgehoben. Hier gibt es pikfeine Computertechnik in einer durchgestylten Halle, einen Zettel mit allen Hotels, Hostels und Pensionen, den Hinweis auf das freie WLAN und die Bitte, man möge sein Zimmer selbst reservieren. Und ne Toilette gab es auch nicht… Mächtig genervt griff Carsten zum Handy und buchte kurzerhand online eine Pension. Pilgerherbergen können übrigens weder im Vorfeld reserviert noch für länger als 1 Nacht genutzt werden (außer bei Krankheit). Und da wir Bilbao näher kennenlernen wollen, brauchten wir eine Alternative – und die ist sehr nett ausgefallen.

Pension für 2 Nächte in Bilbao

Der Tag Pause morgen wird hoffentlich reichen, um Carsten wieder auf die Beine zu bringen – sowohl die Knie als auch eine Blase am Fuß brauchen etwas Ruhe und Pflege. Ohne Kreuzbänder und Menisken läuft man quasi stets auf Felge…

Gerade geht ein Gewitter über Bilbao nieder. So können wir heute wohl erst nach 20.30 Uhr zum Essen – wie die Spanier im Regelfall. Das ist für Pilger manchmal problematisch, wenn man in einer Pilgerherberge übernachtet und diese um 22 Uhr schließt. Im Normalfall ist man aber auch so platt, dass man freiwillig um 22 Uhr im Bettchen liegt.

Distanz: 17 km / Höhenmeter: 629 m / Laufzeit: 03:48

Tag 8: Bilbao

Bilbao – eine Großstadt mit 280.000 Einwohnern. Eine moderne, architektonisch überaus interessante Stadt, die es sich lohnt zu besuchen, wenn man in Spaniens Norden unterwegs ist.

Beeindruckend und auf jeden Fall ein Muss ist das Guggenheim-Museum. 1997 wurde es nach nur 6 Jahren Planungs- und Bauzeit eingeweiht.

Das Guggenheim-Museum

 

Spinnen-Mama

Aber auch die Altstadt lohnt einen Bummel.

Kirche, Theater, Markthalle
Kathedrale de Santiago – um den Typen oben links geht’s beim Pilgern: Jakobus

Der Ruhetag für die müden und lädierten Beine tat hoffentlich gut getan. Wobei Ruhetag relativ ist… wir sind auch so fast 10 km gelaufen.

In der Altstadt haben wir heute einige Pilger gesehen, u. a. 3 nette ältere Deutsche, die seit 3 Tagen immer wieder unseren Weg kreuzen.

Wir haben heute schon sehr früh in der Stadt zu Abend gegessen. Wir wurden dabei Zeugen einer spanischen Punk-Hochzeit. Bestimmt 100 Hochzeitsgäste waren zum Standesamt gekommen. Die zahlreichen (Punk-) Gäste waren zumindest bemüht, ihren besten Eindruck zu hinterlassen. Lange Kleider und Anzüge zu Ohrpiercing, Tattoos, gefärbten Haaren und Irokese sehen spannend aus. Schon  erstaunlich, dass Punks bei einer Hochzeit auch etwas spießig werden 😉

Nachdem es gestern den ganzen  Abend gewittert hat, waren es heute angenehme, wenn auch bewölkte 20-24 Grad. Für den morgigen Tag sind knackige 31 Grad vorhergesagt, wir werden daher schon eine Stunde eher starten. Zur Belohnung werden wir ab morgen wieder jeden Tag am Meer unterwegs sein.

Tag 9: von Bilbao nach La Arena (24 km)

Heute gab’s Frühstück im Bett 😋 Da die Pension keines anbot, hatten wir uns bestens versorgt.

Aufgrund der angekündigten Hitze sind wir um 7 Uhr gestartet. Da die Vororte von Bilbao bis zum Meer von alten teilweise stark verfallenen Hafen- und Industrieanlagen dominiert sind, haben wir entschieden, diesen Abschnitt zu übergehen – wie fast alle Pilger. Mit der nahe gelegenen U-Bahn ging es zunächst in den Stadtteil Getxo zur Puente Colgante.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Hängebrücke von einem Schüler Gustave Eiffels erbaut und ist die älteste ihrer Art, sie fährt ununterbrochen und kostet pro Person 0,40 Euro. Man kommt sich vor wie auf einer Fähre, die ganz ruhig auf dem Wasser gleitet. Die Brücke ist 160 m lang und ihre Türme 61 m hoch. Durch diese Brücke wird der Schiffsverkehr in den Hafen von Bilbao nicht behindert.

Hängebrücke (Bizkaia-Brücke)

In Portugalete angekommen, werden müde Pilger ca. 200 m  über mehrere ca. 10-20 m lange Rolltreppen die leicht bergauf gehende Straße nach oben transportiert.

Freiluftrolltreppe in Portugalete

Diese Muschel ist eine von vielen, die auf Bilbaos Straßen „rumliegen“ und den Weg markieren.

Jakobsmuschel auf den Straßen von Portugalete
so geht’s auch

Überwiegend auf einer ehemaligen Bahntrasse ging es die 11 km ans Meer. Ein Samstag Morgen wie heute nutzen viele Menschen, schnell mal mit dem Rad von der Stadt ans Meer und wieder zurück zu fahren oder auch joggend zurückzulegen. Die Breite dieses Weges ist keine Fehlplanung, sondern den vielen Radfahrern geschuldet.

unterwegs

Ermüdend war der Asphalt, Carstens Knie schmerzte wieder und um so froher waren wir, als wir endlich das Meer sahen. La Arena ist ein kleiner Badeort, an den es heute viele Menschen gelockt hat. Die Temperaturen sollten ursprünglich auf ca. 27 Grad hier am Meer steigen. Gefühlt waren es max. 23 Grad mit kühlem Wind. Aber schön isses – und der Strand und die Bars waren voll.

Strand von La Arena

Das eigentliche Ziel war Pobena, ein kleines Örtchen in der gleichen Bucht. Da die Pilgerherberge aber erst 15 Uhr aufmacht – das ist bei den Herbergen sehr oft der Fall, da sie von Freiwilligen (Hospitaleros) betrieben werden, die evtl. ja noch arbeiten gehen – haben wir uns in La Arena das erstbeste Angebot geschnappt. Ein kleines Appartement in einem kleinen Hotel in der ersten Reihe für 55 Euro. So konnten wir schon Mittag unsere Rucksäcke abstellen und eine schöne Runde am Strand drehen. Und nach einer Dusche und Ruhepause werden wir uns gleich ein Lokal suchen und lecker Fisch essen.

Wir hatten erwähnt, dass die Basken etwas zurückhaltend sind. Heute Morgen wurden wir an der U-Bahn bereits am Ticketautomaten in Empfang genommen. Man zeigte uns, welches Ticket wir benötigen und wo wir umsteigen müssen. Schließlich wurden wir noch fast bis zum Bahnsteig begleitet. Auf unserem heutigen Weg haben uns fast alle Menschen gegrüßt und selbst beim Einkaufen in La Arena gab’s ein freundliches Bon Camino. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir morgen das Baskenland verlassen und die Menschen hier etwas offener sind.

Distanz: 11,7 km / Höhenmeter: 255 m / Laufzeit: 02:33