Tag 10: von La Arena nach Castro Urdiales (15 km)

Vorhergesagt war strahlender Sonnenschein – aber wie das so ist mit dem Wetter… Tiefhängende Wolken waren unsere Begleiter in den ersten Stunden des Tages.

Aber auch das hatte etwas …

Abschied von La Arena

Auf dem Weg zum Frühstück haben wir Olga aus Moskau getroffen. Sie läuft den Camino bis Santiago. Leider sprach sie nur wenig Englisch. Sie hatte in La Arena in einem kleinen Zelt geschlafen.

Frisch gestärkt ging es – wie fast jeden Morgen – erstmal ordentlich bergan. Auf einem Panoramaweg, der einer alten Bahntrasse folgte, hatten wir tolle Aussichten auf die wilde Küste. Im Wasser waren schon zahlreiche Surfer auf der Suche nach der perfekten Welle🏄‍♀️

Blick zurück nach La Arena

Hin und wieder gibt es Varianten auf dem Camino Norte, die zum Teil kürzer sind, zum Teil länger und interessanter oder einfach schöner sind. Wir haben uns heute für die kürzere und schönere Variante entschieden, die zwar stellenweise entlang der kaum befahrenen Nationalstraße führt, aber dafür immer das Meer in Sichtweite war.

Auf diesem Abschnitt haben wir eine allein reisende Pilgerin aus Taiwan getroffen, die auch bis nach Santiago läuft. Sie sprach perfekt Englisch, so dass wir uns sehr nett unterhalten konnten.

Dann erblickten wir die zauberhafte Bucht von Mioño.

Bucht von Mioño

Hier haben wir die Straße verlassen und sind fortan wieder auf einsamen Pfaden unterwegs gewesen. Bis … ja bis nach ein paar hundert Metern erst einzelne Menschen auftauchten, schließlich wurden es immer mehr, die uns entgegen kamen. Es stellte sich heraus, dass ca. 2000 Menschen an einem Lauf gegen Krebs von Castro Urdiales in die schöne Bucht und wieder zurück (ca. 6 km) teilnahmen – und die kamen uns alle auf unserem schmalen Pfad entgegen. Als endlich alle vorbei waren, erblickten wir unser Tagesziel Castro Urdiales. Beides war sehr schön 😃

Unser Tagesziel ist in greifbarer Nähe

Die Stadt hat 13.000 Einwohner und eine sehr schöne lebendige Altstadt. Castro Urdiales ist unsere erste größere Stadt in der Region Kantabrien. Da hier auch der Lauf gegen Krebs endete, wimmelte es vor fröhlichen Menschen.

Da es sehr schwierig ist in Spanien zu unseren Zeiten Abend zu essen, haben wir uns entschlossen, ab sofort mittags ein Menü del Dia, das fast überall für 12-15 Euro angeboten wird, zu uns zu nehmen. Auf dem Camino France und dem Portuguese hat man sich den vielen Pilgern angepasst und bietet bereits in den frühen Abendstunden Pilgermenüs an. Hier sind jedoch nur wenige Pilger unterwegs.

Nachdem wir unsere Rucksäcke in der gebuchten Pension direkt an der Promenade abgestellt haben, ging es dann auch gleich erstmal zum Essen. Das Zimmer ist sehr geschmackvoll eingerichtet und unsere Wäsche wurde von der Wirtin gleich gewaschen, getrocknet und gefaltet zurück gebracht – und das alles ohne ein Wort Englisch. Die Wirtin kann leider nur Spanisch.

Blick aus unserem Zimmer

Frisch gestärkt führte uns unsere Suche nach einem Stempel für unseren Pilgerausweis in die Kirche oberhalb der Altstadt.

Blick in die Kirche von Castor-Urdiales

Hier trafen wir die Taiwanesin wieder und die kleine deutsche – aus Wuppertal kommende – Pilgergruppe, die wir jeden Tag treffen. Die Freude war wieder sehr groß.

Carstens Knie haben gehalten, zudem sind wir gut im Zeitplan, so dass wir uns für die letzten 80 km bis Santander Zeit lassen können. Wir haben auch noch unseren geplanten Reservetag.

Distanz: 15,1 km / Höhenmeter: 351 m / Laufzeit: 03:50

Tag 11: von Castro Urdiales nach Liendo (21 km)

Nach einem typisch spanischen Frühstück mit frisch gepresstem Orangensaft von unserer Wirtin sollte es in den Tag gehen. Hier trafen wir auf ein Pärchen aus Ulm, welches auch in der Pension übernachtet hatte. Diese hatten sich nach den Pilgererlebnissen ihres Sohnes für den Weg entschieden, haben aber festgestellt, dass die Reise gar nicht ihren Vorstellungen entsprach. Auch so etwas kommt vor – wenn auch selten. Weil jeder Mensch unterschiedliche Erwartungen hat und den Weg unterschiedlich erlebt, werden natürlich nicht alle auf der Reise glücklich werden.

Leider hatte das Wetter wieder einmal einen anderen Plan. Statt der vorhergesagten Trockenheit regnete es seit Stunden. Gegen 9 Uhr ließ es nach und wir machten uns im Nieselregen auf den Weg, eigentlich waren es nur tief hängende Wolken – aber auch die können sehr nass sein.

Stierkampfarena in Castro Urdiales

Zu Beginn ging es auf schönen Pfaden bis Islares etwa 8 km am Meer entlang.

Unterwegs

Leider war die Autobahn oft nicht weit weg, aber immer wieder schöne Aussichten entschädigten.

Strand von Oriñón

Hinter diesem wunderschönen Strand ging es den Fluss aufwärts die Nationalstraße entlang. 2 km nach dem Strand haben wir eine Variante genutzt, die uns über die Nationalstraße nach Liendo brachte. Die Variante hatte den Vorteil, 7 km kürzer zu sein und den Nachteil auf Asphalt zu laufen und einen Pass zu überqueren. Dafür wurden wir direkt nach unserer Ankunft um 14 Uhr mit einem Menü del Dia verwöhnt. Da die Wirtsleute kaum Englisch sprachen, haben wir uns auf ihre Empfehlung verlassen – und wurden nicht enttäuscht. Unsere kleine Pension liegt mitten in den Bergen nahe der Küste – wir schaun grad vom Bett aus darauf.

Blick von unserer Terrasse

Nebenbei bemerkt:

Bei unseren Wanderungen kommt es vor allem nach anstrengenden Etappen vor, dass ich abends Erkältungssymptome bekomme. Das passiert immer wieder mal. Mittlerweile weiß ich es einzuschätzen und nicht überzubewerten. Morgens ist alles wieder gut. Der Mensch ist schon ein seltsames Ding😏 Und wenn man meint, man kann nicht mehr und ist zu erschöpft – nach einer kurzen Pause geht meist noch was.

Belohnung für den Tag

Distanz: 20,5 km / Höhenmeter: 449 m / Laufzeit: 04:10

Tag 12: von Liendo nach Santoña (14,5 km)

Nach einem herzhaften Frühstück im Hotel – fast wie in Deutschland – verabschiedeten wir uns sehr herzlich vom Hotelchef in Liendo.

Unsere Etappe sollte uns heute von Liendo nach Santoña führen.

Der Tag begann mit einem Sonnenaufgang über der Hochebene von Liendo – auch wenn in der Ferne kräftige Gewitter aufzogen.

Die Sonne geht über Liendo auf

Wie immer ging es erst einmal bergauf, aber dafür auf wunderbaren Wegen mit noch schöneren Ausblicken.

unterwegs

Mittlerweile grummelte es bedrohlich.

Gewitter ziehen auf

Wir überlegten schon, wie und wo wir Deckung bekommen können. Aber in den Bergen war außer den phantastischen Aussichten weit und breit kein Schutz in Sicht.

Bucht von Laredo

Am Ende dieser Bergetappe bot sich ein toller Blick auf Laredo und unser Tagesziel Santoña. Wir schoben das Gewitter vor uns her und waren sehr froh, nach dem Abstieg die nette Altstadt trockenen Fußes sicher zu erreichen.

Altstadt von Laredo

Am Ende der Altstadt ging es direkt über in unsere heutige Strandetappe. Zu unserem Entsetzen mussten wir 4,5 km einen breiten Sandstrand entlang laufen 😃 Vor Freude haben wir Luftsprünge gemacht.

Direkt am Strand erwartete uns schon die Fähre, die uns in 5 min. nach Santoña brachte.

Fährmann setz über

An der Fähre haben wir Daina, eine finnische sehr kommunikative Pilgerin kennengelernt. Da es Mittagszeit war, ließen wir uns zusammen in einem kleinen Restaurant nieder und gönnten uns wieder ein Menü del Dia. Aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten bekamen wir Tintenfisch als Fischgericht. Für Martina eigentlich toll, für Carsten und Daina ein no go – insgesamt geschmacklich aber eher gewöhnungsbedürftig. Mit dem 1. Gang Paella und einem Gemüseteller, dazu Brot und einer Flasche Rotwein ließ es sich aber gut verschmerzen. Das Restaurant lag direkt am Camino. Wir konnten alle vorbeiziehenden Pilger sehen und erblickten dabei auch bekannte Gesichter: die Freude war groß, Sabine und Eberhard, die Schwaben vom 1. Tag in Irun wiederzusehen.

Ein zufälliger Blick anschließend in die Wetter-App verhieß nichts Gutes, da sehr schnell wiederholt starke Gewitter auf uns zukamen. So verabschiedeten wir uns von unsrer Finnin und machten uns auf den Weg, die letzten 4 km bis zum am Vorabend gebuchten Hotel zurückzulegen. Am Beginn des letzten 2 km langen Strandabschnittes in Berria befindet sich ein riesiges Gefängnis. Die Gebäude schmiegen sich an einen Bergrücken und es wirkt – bis auf die 6 m hohe Steinmauer – eher wie eine Wohnanlage. Zu diesem Gefängnis gibt es eine sehr nette Pilgergeschichte von 2007. Die gibt’s bei Interesse dann mündlich.

Die Regenschleusen öffneten sich, als wir das Hotel betraten. Unser Hotel liegt direkt am Strand mit phantastischer Aussicht (ich weiß, ich wiederhol mich heute). Davon konnten wir uns nach dem großen Regen überzeugen. Die Temperaturen waren nach anfänglichen 24 Grad auf ca. 17 Grad zurückgegangen.

Unser Hotel am Strand von Berria
Blick vom Hotel

Der Strand von Berria ist bei Ebbe übrigens so breit und der Sand so hart, dass hier zweimal im Jahr auf drei Fußballfeldern eine regionales Fußballturnier stattfindet.

Carstens Knie vertragen die weniger anstrengenden und relativ kurzen Etappen der letzten 3 Tage übrigens prima. Seit Bilbao sind die Wege nicht mehr so anspruchsvoll. Und die heutige Etappe war bislang eine der schönsten.

Wollt Ihr noch ein Pilgergeheimnis wissen? Mir werden gerade meine Füße mit Melkfett eingecremt – wie jeden Abend. Deshalb bin ich komplett blasenfrei 😃. Bei meinem Mann funktioniert das nicht so gut, er ist zu kitzlig… Nur weiche Füße haben keine Blasen!

Distanz: 14,5 km / Höhenmeter: 222 m / Laufzeit: 03:38

Tag 13: von Santoña/Berria nach Güemes (21 km)

Weil wir uns kein englisches Frühstück im Hotel antun wollten, ging es ohne Frühstück los. Gleich hinterm Hotel auf dem Sandstrand und nach 500 m ging es den obligatorischen Frühstücksberg steil hinauf. Von diesem Berg gibt es eine Aussicht, die auch Titelfoto auf dem Pilgerführer ist: der Blick nach Noah mit seinem 4 km langen Sandstrand. Nach einer halben Stunde waren Auf- und Abstieg getan.

Der Frühstücksberg, beim Aufstieg und der Blick zurück
Der Strand von Noah

Eine Stunde am Strand lang laufen und wir bekamen das Dauerlächeln nicht mehr aus dem Gesicht. Auf dem Wochenmarkt versorgten wir uns fürs Frühstück.

In Noah haben wir für heute die Küste verlassen und sind einer Variante des Pilgerführers gefolgt. Teils erinnerte uns die Landschaft an die Toskana. Diese Variante war nicht ausgeschildert und ist daher nur mit gutem Kartenmaterial und Pilgerführer machbar.

unterwegs

21 Grad sonnig, später leicht bewölkt war das perfekte Wanderwetter.

Unser Tagesziel ist die Kultherberge in Güemes. Die Herberge wurde 1911 vom Großvater des jetzigen Besitzers gegründet. Ernesto ist Dorfpfarrer und selbst Pilger.

Es ist die größte und angeblich schönste Bleibe auf dem Camino Norte. Wir haben uns bewusst für diese Herberge entschieden, weil ihr Ruf ihr vorauseilte, die Herberge durch Besitzer und Hospitaleros sehr gut betreut wird und es ein gemeinsames Abendessen gibt.

Albergue dem Abuelo Peuto (Herberge des perfekten Opas)
Unser Zimmer

Die 80 Betten teilen sich auf 12 Räume auf. Es gibt einen Garten mit altem Baumbestand, diversen Bänken, Terrassen und anderen Sitzmöglichkeiten, eine Bibliothek, eine kleine Kapelle… Bis jetzt sind ca. 30 Pilger angekommen. 19.30 Uhr gibt es eine kleine Zusammenkunft und anschließend Abendessen, von dem wir morgen berichten werden.

Außenanlagen
Das Haupthaus mit Zimmern im OG und Duschen/Waschküche im EG
Kleine Kapelle und Herbergshund 7 Monate alt

Der Herbergshund hat gerade der südafrikanischen Pilgerin ihren Wanderschuh gestibitzt… Martina hat ihn zurückerobert 😏. Zum Glück ist kein größerer Schaden entstanden.

Distanz: 20,8 km / Höhenmeter: 391 m / Laufzeit:  04:52

Tag 14: von Güemes nach Santander (15 km)

Was für ein schöner Abend! Gestern abend trafen sich um 19:30 Uhr alle Pilger und Hospitaleros. Es waren 30 Pilger aus 10 Nationen in der Herberge – USA, Australien, Belgien, Spanien, Frankreich, Rumänien, Brasilien, Südafrika, Deutschland und das letzte Land haben wir vergessen. In einem kurzen Vortrag haben wir erfahren, dass die Herberge nur ein Teil eines karitativen Systems ist, das in Spanien und Lateinamerika Hilfsprojekte betreibt. Der „Macher“ Padre Ernesto, ein alter Pfarrer mit schneeweißen Haaren und Bart, hatte eine so starke positive Ausstrahlung! Die Übernachtung in der Herberge erfolgt auf Spendenbasis. Es gibt Abendessen, Frühstück, Waschmaschine, Trockner, WiFi – und jeder soll eine Spende geben, die er für sich für angemessen hält. Offensichtlich funktioniert das gut, denn die Herberge ist toll ausgestattet und Gewinne werden in anderen Hilfsprogrammen refinanziert.

Kennenlernen

Das anschließende Abendessen hatte so ziemlich alles, was Pilgern ausmacht. Alle essen zusammen in einem Raum. Du sitzt plötzlich neben fremden Menschen, isst und trinkst zusammen und man versteht sich über alle Sprachen, Kulturen und Grenzen hinweg.

Carsten hatte u. a. ein sehr interessantes Gespräch mit einem hübschen jungen Steinmetz-gesellen aus Schwaben (der Bursche mit Hut auf dem Foto), der für 3 Jahre und einen Tag auf Wanderschaft ist. Er erinnerte Martina sehr an Ken Folletts „Säulen der Erde“😉.

Martina saß neben Carol, einer Australien, die bis vor 3 Monaten noch nie etwas vom Jakobsweg in Europa gehört hatte und mehr durch Zufall mit 3 Freunden den Weg bis Santiago läuft.

Eine Südafrikanerin, die mit ihrem fast erwachsenen Sohn vor 2 Jahren ihr Land schweren Herzens verließ, weil sie mit der politischen Situation nicht mehr klar kam, und jetzt in den französischen Alpen im Winter Tickets für Skilifte verkauft – was mit ihrem eigentlichen Job als Lehrerin rein gar nichts zu tun hat.

Es gibt so viele Gründe wie Menschen, die den Camino laufen.

Gemeinsames Abendessen

Für die Hobbyköche unter den Lesern – es gab einen Nudel-Fischsalat und anschließend einen regionalen Eintopf mit Kartoffeln, Wurst und Paprika. Pfirsiche waren der Nachtisch und natürlich gab es Wasser und Wein. Jeder wurde satt und es gab von allem genug!

Nach dem Nachtisch haben wir uns die Kapelle bzw. den Meditionsraum, der von einem bekannten südamerikanischen Maler mit Pilgermotiven ausgeschmückt war, erklären lassen. Alles was hier in der Herberge  steht, ist auf Spendenbasis und durch freiwillige Arbeit entstanden.

In einer guten Herberge wie in Güemes gibt es ein Frühstück und man wird um 8 Uhr spätestens gebeten, die Herberge zu verlassen, da die Hospitaleros jede Menge Arbeit haben, die Herberge für die nächsten Pilger fit zu machen. Um 06:40 Uhr sind wir aufgestanden und nach einer belgisch-französisch-spanisch-deutschen Frühstücksrunde ging es auf die Etappe zu unserem geplanten Ziel Santander. Wenn man Güemes sieht, denkt man, es liegt im Mittelgebirge. Aber nach 6 km hatten wir schon die Steilküste erreicht. Leider mussten wir heute hin und wieder Nieselregen über uns ergehen lassen. Spätestens beim Anblick der Steilküste mit den tollen Buchten und der wilden Brandung ist das aber egal. 6 km ging es auf Trampelpfaden entlang der Steilküste! Manchmal auch sehr nah am Abgrund… Carsten hielt respektvoll Abstand.

Bucht von Barrio San Miguel
unterwegs

Am Ende der Steilküste ging es direkt in eine 3 km Strandwanderung über. Trotz starker Bewölkung und hin und wieder Nieselregen waren zahlreiche spanische Schulkinder am Strand, um surfen zu lernen. In Deutschland hätten besorgte Über-Eltern einen solch tollen Unterricht unmöglich gemacht. Wenn in den letzten Tagen von Surfen die Rede war, ging es übrigens immer um Wellenreiten und nicht um Windsurfen.

Am Ende des Strandes gab es noch einen Entfernungshinweis für unsere nächsten Etappen bis Santiago! Die 577 km werden wir aber in 2 weiteren Jahresetappen frühstens in 2 Jahren fortsetzen.

Vom Strand ging es noch durch den kleinen Ort Somo, von dem es mit einer kleinen Fähre in 30 Minuten nach Santander ging.

Warten auf die Fähre von Somo nach Santander und Abschied nehmen von den Australiern

Viele Hinweise haben uns sicher 275 km bis Santander gebracht. Der gelbe Pfeil gibt die Richtung für alle Pilger. Man möchte auf dem Weg keine Landkarten studieren. Man möchte mit sich und seinen Gedanken allein sein und nur laufen. Das machte uns in den letzten 2 Wochen nochmal deutlich, wie wichtig unsere Wegbetreuung auf unserem Pilgerweg ist! Die Pilger verlassen sich auf die Ausschilderung!

In Santander haben wir uns einen Stempel in unseren Pilgerausweis geben lassen und sind einem Tipp des Pilgerführers gefolgt. Am Bahnhof gibt es in Santander für wenig Geld (9 Euro) ein üppiges und leckeres Menü del Dia mit gegrilltem Seehecht und Bacalhau.

Nun sind wir im Hotel, etwas außerhalb der Stadt gelegen, und überlegen, was wir bis Samstag anstellen. Wir hatten für Unwegsamkeiten einen Reservetag geplant, den wir nicht genutzt haben. Santander soll aber nicht so sehr viel für Touristen bieten und unser Rückflug nach Berlin geht erst am Samstag um 19:10 Uhr. So werden wir morgen früh mit dem Bus aus der Stadt und den Industriegebieten fahren und noch einen Tag nach Santillana del Mar weiter pilgern…

Distanz: 14,6 km / Höhenmeter: 262 m / Laufzeit: 03:23

Tag 15: von Santander nach Santillana del Mar (37 km)

Aus Sorge, dass Santander für 2 Tage nicht genug bieten kann – in unseren 2 Pilgerführern liest es sich so – und weil wir fit und noch gut zu Fuß sind, sind wir also eine Etappe weiter gelaufen. Wie bereits in Bilbao haben wir uns die Gewerbe- und Industriegebiete von Santander geschenkt und sind ca. 10 – 15 km mit dem Zug aus der Stadt hinausgefahren. Die größte Herausforderung war heute früh zu erkennen, ob das Google Maps Symbol für unsere Verbindung einen Bus oder Zug darstellt. Als wir kurz vor der Abfahrt vor einem Bahnhof standen, war es klar. Ein sehr sehr freundlicher älterer Fahrkartenverkäufer – die gibt es hier erfreulicherweise noch oft – hat uns auf spanisch/englisch erklärt, wo wir hinfahren bzw. umsteigen müssen. Zug- und Busfahrten sind hier nur ein Bruchteil so teuer wie in Deutschland. Die kleine Schmalspurbahn mit den dicken Plüschsitzen brachte uns nach Mogro. Der Ort liegt hinter einer Eisenbahnbrücke, die über einen Fluss führt und die Martina nicht zu Fuß überqueren wollte. Es wäre auch tatsächlich sehr gefährlich gewesen und streng verboten ist es auch. Es fahren viele Züge auf der Strecke und es wird oft kontrolliert, da viele Pilger hier hinüber laufen, um sich einen langen Umweg zu sparen. Aus dem Zug stiegen 3 Pilger mit uns aus, die wir bereits in Güemes kennen gelernt haben.

Nachdem niemand von uns den richtigen Einstieg nach dem Bahnhof gefunden hat – wir haben uns alle für einen kleinen Umweg zum Jakobsweg entschieden – ging es dann recht flott über kleine Nebenstraßen voran. Kleine Hügel hoch und wieder runter ist nach 14 Tagen Laufen ja kein Problem.

Kurzer Blick zum Meer
Unsere ständigen Begleiter

Wir haben auf den letzten fast 300 km viele Tiere auf Weiden gesehen. Und ganz oft haben wir Kuhglocken gehört- aber nicht – wie man es gewohnt ist – bei Kühen, sondern viele Pferde waren damit behängt

unterwegs

Es war eine ländliche Gegend – wir hatten die Stadt wirklich verlassen. Nach 10 km tauchte eine Kokerei und der riesige Chemiekonzern Solvay vor uns auf, an den wir mindestens 2-3 km entlang laufen mussten. Und dabei hatten wir uns schon für die ländlichere Variante entschieden. Man ist den Lärm, den Schmutz und die Hektik, die solche Industrieanlagen verbreiten, gar nicht mehr gewöhnt. Die letzten 14 Tage war es meistens sehr ruhig um uns. Aber alles hat ein Ende und wir sind zielsicher nach 18 km in Santillana del Mar gekommen.

Vorher noch ein Wort zu den schönen Pflanzen unterwegs. Eukalyptus riecht so stark. Ein Baum reicht für intensivsten Geruch!

Könnt Ihr es riechen?

Feigen-, Zitronen-, Organenbäume, Klematis, Strelitzien, Agapantus, Callas und Hortensien – es blüht alles im Überfluss!

Ortseingang von Santillana del Mar

Santillana del Mar ist laut Pilgerführer das spanische Rothenburg ob der Tauber. Und es ist die Stadt der 3 Lügen. Obwohl ihr Name es vermuten lässt, liegt sie 1. nicht am Meer (mar), 2. ist sie nicht heilig (santa) noch ist sie 3. eben (llana) gelegen… Aber sie ist in jedem Fall trotz vieler Touristen sehr schön! In der Nähe, aber mit 2 km Entfernung für uns zu weit, liegen die weltbekannten steinzeitlichen Höhlenmalereien von Altamira – das werden wir beim nächsten Mal mit einplanen. Wir haben uns mit einem Bummel durch den kleinen Ort und einem leckeren Menü del Dia zufrieden gegeben. Der Koch unseres Essens kommt aus der Dominikanischen Republik und hat hier eine spanische Frau geheiratet. Wir haben dem freundlichen sympathischen Mann versprochen, in 2 Jahren wieder bei ihm zu essen. Das hat ihn sichtlich berührt.

Eine Stadt aus dem Mittelalter
Menü del Dia

Einen besseren Endpunkt hätten wir uns nicht wünschen können. Und Santillana del Mar bietet einen guten Startpunkt für Teil 2 unseres Camino Norte.

Distanz: 18,5 km / Höhenmeter: 326 m / Laufzeit: 04:06

Tag 16: Santander und Rückkehr nach Deutschland

Nachdem es gestern noch bewölkt war, sollte heute den ganzen Tag die Sonne scheinen – und sie tat es und 25 Grad inkl. kühlem Wind gab’s dazu.

Santander ist eine Stadt mit 180.000 Einwohnern. Für mehrere Tage hat sie wirklich nicht viel zu bieten. Aber der Tag verging schnell.

Eine wunderbare Markthalle

Kathedrale
Eine Gratis-Fotoausstellung von Sebastió Salgado (Anfang dieses Jahres erst in der Kunsthalle in Erfurt zu sehen) auf einem wunderschönen Platz
Nette Skulpturen
Königspalast
Oben: Blick zurück auf die Steilküste der vorletzten Etappe
Blick auf Santander

Nun ist Zeit, Abschied zu nehmen. Unser Flieger bringt uns um 19 Uhr nach Berlin, nach Zwischenstopp sind wir dann morgen Mittag wieder in Erfurt.

Auch ist es wieder Zeit zurückzublicken:

Martina

Um so mehr ich mich die letzten Tage vor Abflug mit dem Camino beschäftigt habe, wuchs mein Respekt vor dem Weg – vor allem in Bezug auf die Höhenmeter und die Frage, ob die Knie durchhalten. Dies war auch nicht ganz unbegründet. Der Weg war um einiges schwieriger als der Camino Portuguese – auch aufgrund des Regens in den ersten Tagen. Manche berichten, dass der Norte der Schönste ist – er war auf jeden Fall toll, die vielen Kilometer am Meer waren traumhaft. Aber ich glaube, jeder Weg hat etwas Besonderes. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung. Auch bin ich sehr froh, dass wir diesen Camino wieder gemeinsam gelaufen sind. Für das Verständnis und den Kompromiss, nicht nur in Pilgerherbergen zu schlafen, bin ich meinem Mann sehr dankbar – auch wenn der Abend in Güemes in sehr guter Erinnerung bleibt.

Carsten

Es war ein landschaftlich sehr schöner Pilgerweg, viel schöner als der Camino Frances. Der Camino Norte ist aber insbesondere auf dem Abschnitt von Irun bis Bilbao sehr schwer, weil man viele Höhenmeter mit starken Steigungen und Gefälle bewältigen muss. Man sollte sich hier nicht zu viele km am Tag vornehmen und in jedem Fall trainiert sein. Es ist auf dem Camino Norte viel weniger los als auf dem Camino Frances. Das ist für mich allein Grund genug hier zu pilgern. Man muss aber auch im Juni von ca. 40 Pilgern ausgehen, mit denen man unterwegs ist. Wenn ich allein unterwegs wäre, würde ich immer empfehlen, nur in Pilgerherbergen abzusteigen. Der echte Geist des Camino ist hier durch die große Gemeinschaft leichter zu finden. Natürlich ist es als Einzelpilger auch sehr teuer, in Hotels und Pensionen abzusteigen. Hierfür muss man 50-60 € kalkulieren, während die staatlichen und kirchlichen Herbergen ca. 5-10 € kosten. Die Möglichkeit, den Camino mit dem Partner laufen zu können und dafür als Kompromiss in Hotels und Pensionen abzusteigen bzw. nur hin und wieder in Herbergen zu gehen, ist aber für mich eine schöne Lösung. Das Wetter ist am Camino Norte übrigens immer etwas durchwachsen. Es regnet hier, insbesondere im Baskenland und in Galicien doppelt bis dreimal mehr als in im regenarmen Erfurt. Dafür sind die Temperaturen für Pilger auch angehmer als auf dem Camino Frances. Meine Empfehlung nach vielen Jahren Pilgern – der Camino Portuguese ist für Anfänger erste Wahl. Für Wiederholungstäter und trainierte Wanderer, die die Ruhe und Einsamkeit suchen, empfehle ich den Camino Norte. Den Camino Frances sollte man nur laufen, wenn man sich auf ganz viel Pilger mit entsprechenden Trubel und landschaftlich eintönigeren Etappen einstellen mag.

Der Pilgerausweis füllt sich

Wir danken Euch, dass Ihr uns ein Stück des Weges begleitet habt, für das Interesse, die Fragen und guten Wünsche und freuen uns auf die Fortsetzung unseres Camino Norte in 2018 oder spätestens 2019.

Bon Camino!

 

Ganz persönliche Tipps für die, die Lust aufs Pilgern bekommen haben

Dies soll natürlich keine Werbeveranstaltung werden 😏. Aber die Erfahrung lehrt… Einiges haben wir schon nach dem Camino Portuguese festgehalten, Wiederholungen sind daher nicht ganz ausgeschlossen.

  • Pilgerausweise: am besten vorher besorgen, z. B. über die Fränkische Jakobusgesellschaft
  • Pilgerführer: Es gibt zwei in Deutschland. Wir hatten wieder beide mit. Der gelbe von Joos ist sicher der bekanntere und bessere in Sachen Wegbeschreibung und Unterkünfte, der rote von Rother der informativere. Wobei wir und andere Pilger die vielen Varianten bei Joos auf diesem Wegstück nicht gut fanden. Die meisten Pilger werfen- wie wir auch – abends einen Blick auf die nächste Etappe und wollen dann einfach nur laufen. Die Infos zu Unterkunft und Versorgung auf der Etappe sind sehr nützlich.
  • Rucksack: Nachdem wir beim Camino Portuguese noch mit Leihgaben (Dank an Jens!) unterwegs waren, hatten wir uns letztes Jahr nach reichlich Recherche beide für Deuter entschieden: ACT-lite 40+10  (Zahl steht für Liter) für Mann und Futura pro40 SL  für Frau. Beide haben sich klasse bewährt – sowohl bei der Größe, den breiten Hüftgurts und verschiedener Taschen und Fächer.
  • Schlafsack: jedes Gramm zählt. In den meisten Herbergen gibt es Laken auf den Matratzen. Es kommt natürlich auf die Reisezeit an, aber uns reichte bisher immer ein dünner Schlafsack. Martinas aufblasbares Kissen kam gar nicht zum Einsatz, da in allen Herbergen Kopfkissen waren.
  • Wandersachen: atmungsaktiv und schnell trocknend ist meist auch gleichzeitig leicht und braucht wenig Platz. Zippbare Hosen sind sehr praktisch. Martina würde ungern auf ihre Fliesjacke verzichten. Die kam auch hier häufiger zum Einsatz.
  • Stöcke: Auch wenn ich noch vor ein paar Jahren dachte, Stöcke sind nur was für Alte… ohne unsere Stöcke hätten wir bei den ersten Etappen bis Bilbao sehr viel mehr Probleme gehabt. Sie geben zusätzlich Halt, funktionieren beim Anstieg wie ein Allradantrieb, entlasten Schultern und Rücken beim Laufen und helfen natürlich auch bergab. Leichte Teleskopstöcke sind hier die erste Wahl. Leki ist ein führender Anbieter. Auf jeden Fall aufs Gewicht achten!
  • Trinksysteme: Carsten schwört auf einen Trinkschlauch, der mit verschiedenen Adaptern auf jede Flasche aufgedreht werden kann. Die Flasche steckt in der Seitentasche des Rucksacks. So kann jederzeit getrunken werden. Martina hat eine Camelbak Chute
  • Handtücher: Beim 1. Camino haben uns noch die Schokoladenhandtücher aus der Schweiz (Dank an Christina und Thomas), aus normalem, wenn auch leichtem Frottee,  getrocknet. Erstmals waren wir dieses Mal mit Microfaser-Handtüchern unterwegs. Vom Gewicht und Packmaß unschlagbar, vom Abtrocknen her zu Beginn recht gewöhnungsbedürftig. Aber es funktioniert. Ein kleines, welches morgens manchmal noch an Martinas Rucksack zum Trocknen hing, ergänzte das Badetuch für Frau. Marken: Cocoon und Nabaiji von Decathlon sind beide gut und sehr ähnlich.
  • Regencape: wie im Blog schon erwähnt, ist der Poncho Regencape Forclaz 75l von Quechua der praktischste; geht nach Körper- und Rucksackgröße.
  • Wanderschuhe: wir kommen beide mit Lowa Renegade sehr gut klar. Wir waren auf den ersten Etappen sehr froh, keinen leichten Wanderschuh oder Turnschuhe, wie einige Pilger tragen, anzuhaben.
  • Wandersocken: Falke sind nach unserer Erfahrung die 1. Wahl.
  • Apotheke: Blasenpflaster von Compeed, Leukotape aus der Apotheke (gleich beim 1. Verdacht auf den betroffenen Bereich kleben), Voltaren, Iboprofen für jegliche Schmerzen – im Notfall gibt es in jedem Ort Apotheken
  • Packliste: die ergänzen wir hier, wenn wir wieder zu Hause sind
  • Openmaps: Eigentlich sind alle Wege vorbildlich ausgeschildert und man braucht keinen digitalen Helfer. Manchmal steht man aber an einer Kreuzung o. ä. und ist sich nicht sicher. Natürlich kommt man mit einem Navi wie Maps gut zurecht. Wir haben uns aber bewusst für die kostenlosen Karten von Openstreetmap entschieden. Die Vorteile gegenüber Maps sind: die Karten arbeiten auch offline und verbrauchen kein Datenvolumen und die Karten sind wesentlich genauer, da z. B. Hochspannungsmasten, Brunnen, Postkästen, Bushaltestellen usw. eingetragen sind.
  • Jakobswege: Man muss natürlich keinen Jakobsweg laufen, wenn man wandern, runterkommen oder sich eine Auszeit nehmen will, aber man kann natürlich die Infrastruktur, die dieses Wegenetz bietet, phantastisch nutzen. Es gibt eine Unmenge von Wegen in fast allen Ländern Europas, die allesamt irgendwann nach Santiago de Compostella führen. Wenn Ihr in Deutschland mal pilgern wollt, besucht einfach mal unsere Seite Ökumenischer Pilgerweg
  • Wäsche waschen: In den meisten Herbergen gibt es Waschmaschinen und Trockner, so dass man seine Sachen waschen kann. Das ist auch immer eine nette Gelegenheit, die anderen Pilger kennenzulernen. Ein paar Waschmitteltaps sollten mitgenommen werden für den Fall, dass kein Waschmittel bereitgestellt wird.
  • Versorgung unterwegs: Frühstück in Spanien heißt meist Kaffee und Croissant. Das gibts in jeder kleinen Bar, seltener gibt es dort auch belegte Baguettes.  Auch in den Herbergen wird hin und wieder einfaches Frühstück angeboten. Wir hatten für zwischendurch, wenn mal keine Bar auf dem Weg lag, Obst-Energie-Riegel dabei. Sehr lecker sind die von Alnatura. Obst gibt es fast überall frisch zu kaufen, aber zwei Äpfel hatten wir immer dabei. Trinkwasser in sehr guter Qualität gibt es – wie schon beschrieben – an vielen Stellen entlang des Weges zu zapfen. Und wenn nicht, steht dies vorsorglich im Pilgerführer drin. Auf den ersten Etappen des Norte gab es viele Landstriche ohne eine Bar oder Einkaufsmöglichkeit; dies wurde zum Ende hin etwas besser. In jedem Fall sollten die Infos dazu im Pilgerführer beachtet werden.
  • Verständigung: Es gibt Pilger, die keinerlei Fremdsprachenkenntnisse haben – die kommen sicher auch an ihr Ziel. Einfacher ist es aber natürlich mit mindestens Grundkenntnissen in Englisch; auf dem Norte macht es sich allerdings sehr gut, zumindest ein paar Brocken Spanisch zu können bzw. den Google-Übersetzer, der offline genutzt werden kann, hin und wieder zu fragen. Zum Beispiel im Baskenland war alles zweisprachig ausgeschildert: baskisch und spanisch. Englisch sprachen nicht viele. Die Menükarten in Restaurants sind ohne Grundkenntnisse in diesen Sprachen kaum zu verstehen. Hier hat die App gute Dienste geleistet.