Tag 14: von Güemes nach Santander (15 km)

Was für ein schöner Abend! Gestern abend trafen sich um 19:30 Uhr alle Pilger und Hospitaleros. Es waren 30 Pilger aus 10 Nationen in der Herberge – USA, Australien, Belgien, Spanien, Frankreich, Rumänien, Brasilien, Südafrika, Deutschland und das letzte Land haben wir vergessen. In einem kurzen Vortrag haben wir erfahren, dass die Herberge nur ein Teil eines karitativen Systems ist, das in Spanien und Lateinamerika Hilfsprojekte betreibt. Der „Macher“ Padre Ernesto, ein alter Pfarrer mit schneeweißen Haaren und Bart, hatte eine so starke positive Ausstrahlung! Die Übernachtung in der Herberge erfolgt auf Spendenbasis. Es gibt Abendessen, Frühstück, Waschmaschine, Trockner, WiFi – und jeder soll eine Spende geben, die er für sich für angemessen hält. Offensichtlich funktioniert das gut, denn die Herberge ist toll ausgestattet und Gewinne werden in anderen Hilfsprogrammen refinanziert.

Kennenlernen

Das anschließende Abendessen hatte so ziemlich alles, was Pilgern ausmacht. Alle essen zusammen in einem Raum. Du sitzt plötzlich neben fremden Menschen, isst und trinkst zusammen und man versteht sich über alle Sprachen, Kulturen und Grenzen hinweg.

Carsten hatte u. a. ein sehr interessantes Gespräch mit einem hübschen jungen Steinmetz-gesellen aus Schwaben (der Bursche mit Hut auf dem Foto), der für 3 Jahre und einen Tag auf Wanderschaft ist. Er erinnerte Martina sehr an Ken Folletts „Säulen der Erde“😉.

Martina saß neben Carol, einer Australien, die bis vor 3 Monaten noch nie etwas vom Jakobsweg in Europa gehört hatte und mehr durch Zufall mit 3 Freunden den Weg bis Santiago läuft.

Eine Südafrikanerin, die mit ihrem fast erwachsenen Sohn vor 2 Jahren ihr Land schweren Herzens verließ, weil sie mit der politischen Situation nicht mehr klar kam, und jetzt in den französischen Alpen im Winter Tickets für Skilifte verkauft – was mit ihrem eigentlichen Job als Lehrerin rein gar nichts zu tun hat.

Es gibt so viele Gründe wie Menschen, die den Camino laufen.

Gemeinsames Abendessen

Für die Hobbyköche unter den Lesern – es gab einen Nudel-Fischsalat und anschließend einen regionalen Eintopf mit Kartoffeln, Wurst und Paprika. Pfirsiche waren der Nachtisch und natürlich gab es Wasser und Wein. Jeder wurde satt und es gab von allem genug!

Nach dem Nachtisch haben wir uns die Kapelle bzw. den Meditionsraum, der von einem bekannten südamerikanischen Maler mit Pilgermotiven ausgeschmückt war, erklären lassen. Alles was hier in der Herberge  steht, ist auf Spendenbasis und durch freiwillige Arbeit entstanden.

In einer guten Herberge wie in Güemes gibt es ein Frühstück und man wird um 8 Uhr spätestens gebeten, die Herberge zu verlassen, da die Hospitaleros jede Menge Arbeit haben, die Herberge für die nächsten Pilger fit zu machen. Um 06:40 Uhr sind wir aufgestanden und nach einer belgisch-französisch-spanisch-deutschen Frühstücksrunde ging es auf die Etappe zu unserem geplanten Ziel Santander. Wenn man Güemes sieht, denkt man, es liegt im Mittelgebirge. Aber nach 6 km hatten wir schon die Steilküste erreicht. Leider mussten wir heute hin und wieder Nieselregen über uns ergehen lassen. Spätestens beim Anblick der Steilküste mit den tollen Buchten und der wilden Brandung ist das aber egal. 6 km ging es auf Trampelpfaden entlang der Steilküste! Manchmal auch sehr nah am Abgrund… Carsten hielt respektvoll Abstand.

Bucht von Barrio San Miguel
unterwegs

Am Ende der Steilküste ging es direkt in eine 3 km Strandwanderung über. Trotz starker Bewölkung und hin und wieder Nieselregen waren zahlreiche spanische Schulkinder am Strand, um surfen zu lernen. In Deutschland hätten besorgte Über-Eltern einen solch tollen Unterricht unmöglich gemacht. Wenn in den letzten Tagen von Surfen die Rede war, ging es übrigens immer um Wellenreiten und nicht um Windsurfen.

Am Ende des Strandes gab es noch einen Entfernungshinweis für unsere nächsten Etappen bis Santiago! Die 577 km werden wir aber in 2 weiteren Jahresetappen frühstens in 2 Jahren fortsetzen.

Vom Strand ging es noch durch den kleinen Ort Somo, von dem es mit einer kleinen Fähre in 30 Minuten nach Santander ging.

Warten auf die Fähre von Somo nach Santander und Abschied nehmen von den Australiern

Viele Hinweise haben uns sicher 275 km bis Santander gebracht. Der gelbe Pfeil gibt die Richtung für alle Pilger. Man möchte auf dem Weg keine Landkarten studieren. Man möchte mit sich und seinen Gedanken allein sein und nur laufen. Das machte uns in den letzten 2 Wochen nochmal deutlich, wie wichtig unsere Wegbetreuung auf unserem Pilgerweg ist! Die Pilger verlassen sich auf die Ausschilderung!

In Santander haben wir uns einen Stempel in unseren Pilgerausweis geben lassen und sind einem Tipp des Pilgerführers gefolgt. Am Bahnhof gibt es in Santander für wenig Geld (9 Euro) ein üppiges und leckeres Menü del Dia mit gegrilltem Seehecht und Bacalhau.

Nun sind wir im Hotel, etwas außerhalb der Stadt gelegen, und überlegen, was wir bis Samstag anstellen. Wir hatten für Unwegsamkeiten einen Reservetag geplant, den wir nicht genutzt haben. Santander soll aber nicht so sehr viel für Touristen bieten und unser Rückflug nach Berlin geht erst am Samstag um 19:10 Uhr. So werden wir morgen früh mit dem Bus aus der Stadt und den Industriegebieten fahren und noch einen Tag nach Santillana del Mar weiter pilgern…

Distanz: 14,6 km / Höhenmeter: 262 m / Laufzeit: 03:23