Tag 1 – Anreise

Mit dem ICE ging es 9 Uhr von Erfurt

nach Berlin-Schönefeld. Durch heftige Gewitter verspätete sich der Flieger nach Santander.

20 Uhr gelandet, ging es mit dem Taxi die 30 km weiter zum Startpunkt des 2. Teiles auf dem Camino del Norte:

Santillana del Mar

Da wir erst spät am Abend ankommen, haben wir vorab eine kleine Pension im Zentrum dieser (fast schon kitschigen) mittelalterlichen Stadt gebucht. Pünktlich zum (für spanische Verhältnisse normalen) für uns späten Abendessenzeit waren wir vor Ort. 17 Grad und Sprühregen…

Ein guter Rioja, leckeres Essen und ein sehr schönes Zimmer mitten im Zentrum … Was will man/frau mehr?

Tag 2 – von Santillana del Mar nach Comillas (22 km)

Nach einer guten Nacht sind wir 8 Uhr von unserer netten Pension gestartet. Unseren ursprünglichen Plan, die Höhlen von Altamira mit den 20 000 Jahre alten Tierzeichnungen zu besichtigen, cancelten wir aufgrund der Wetterprognose.  Unser Ziel Comillas lag zudem 24 km voraus  – ein gutes Stück Weg für den ersten Tag.

Herberge in Santillana del Mar

Die im Pilgerführer erwähnte Frühstücksbar müssen wir irgend wie übersehen haben und so knurrte uns langsam der Magen.

Nach 6 km stand auf einer Anhöhe die Kirche San Pedro, die zu einem Stop förmlich einlud. Im Eingangsportal verabschiedete sich eine deutsche Pilgerin gerade von einem jungen Mann, der uns dann sehr herzlich begrüßte mit einem Becher Tee. In der Kirche erklang das Lied Ave Maria. Beeindruckend das alte Taufbecken, welches aus dem 11. Jahrhundert stammt. Wir zündeten zwei Kerzen an und Carsten betete für unseren Weg und für alle, die uns lieb und teuer sind.

Mit einem Dank an den jungen Mann, der uns noch 2 Pfirsiche in die Hand gab, verabschiedeten wir uns von diesem so friedlichen Ort – ein schöner Ort den Weg zu beginnen.

Kirche San Pedro
Taufbecken aus dem 11. Jahrhundert

Als wir die Kirche verließen, setzte leichter Sprühregen ein, der sich mit der Zeit verstärkte und uns leider den ganzen Weg treu blieb.

Nach einem knappen Kilometer erreichten wir einen kleinen Ort mit einer Bar, in der wir ein leckeres Frühstück bekamen. Hier gesellte sich die Pilgerin aus der Kirche zu uns. Ein anderes Pilgerpärchen und eine junge Spanierin machten hier ebenfalls Rast. Es sollten fast die einzigen Pilger sein, die wir heute sichteten.

Der Weg führte uns durch eine hügelige grüne Landschaft, entlang duftender Eukalyptusbäume, vorbei an Bauernhöfen und durch kleine Mauern abgetrennte Felder. Leider alles durch einen grauen Regenschleier hindurch.

Die letzten 5 km begleitete uns Peter, ein 52-jähriger sehr sympathischer Belgier, der von Zuhause gestartet und bereits 63 Tage unterwegs war. In ca. 4 Wochen wird er Santiago erreichen. Auch er ist Wiederholungstäter, vor 10 Jahren fuhr er erstmals mit dem Rad diesen Weg.

So verging die letzte Stunde wie im Flug. Wir freuten uns sehr, als wir den Atlantik bei Comillas zu Gesicht bekamen.

Endlich – das Meer

Peter wollte heute noch 10 km weiter. Wir waren froh, unser Tagesziel erreicht zu haben und verabschiedeten uns von unserem netten Wegbegleiter.

Wir haben ein kleines sehr schönes Hotel gefunden. Nach Dusche und Ausruhen erkunden wir jetzt das Städtchen.

Tag 3 – von Comillas nach Serdio (20 km)

Gaudis El Capricho

Vor dem Abendessen erkundeten wir – regenbedingt leider nur einen kleinen Teil – Comillas. U. a. hat sich Gaudi hier mit einem seiner ersten Werke verewigt.

Als es endlich 20.15 Uhr war, konnten wir in einem Restaurant zu Abend essen. An die späte Zeit müssen wir uns erst wieder gewöhnen… Dafür gab es eine sehr gute und reichhaltige Fischsuppe für die Dame und gebratene Hähnchenbrust für den Herrn in der Bar Filipina. Vom Pilger-Jost empfohlen und Qualität und Preis-Leistung stimmten.

Nach einem guten Frühstück im Hotel starteten wir in den nächsten (Regen-)Tag. Es ist zum Glück nicht kalt, mit ca. 17 Grad eine gute Wandertemperatur.

Comillas hat eine riesige Uni, die oberhalb der Stadt trohnt. Gestern durch den Regen haben wir sie schlichtweg nicht gesehen.

Universität von Comillas

Etwas weiter haben wir das Naturschutzgebiet Parque Natural de Oyambre erreicht. Wir nutzten die Gelegenheit, über einen schlammigen Weg einen sehr schönen Strand zu erreichen.

Auf dem Weg zur Playa de Oyambre

Leider war der Weg entlang des Strandes nicht sehr lang, aber nach ein paar Kilometern über einen Berg, kamen wir durch Ger(r)a

und erreichten danach den nächsten Strandabschnitt.

Blick zurück nach La Gerrucca

Ca. 2 km bis San Vicente – ein Genuss trotz Dauerregen.

Am Strand vor San Vicente de la Barquera

Diesen Abschnitt kann man nur bei Ebbe laufen – zum Glück kamen wir (fast) trockenen Fußes durch. Am Ende des Strandes haben wir zwei Australier getroffen, die gestern Abend schon mit im Lokal saßen. Ihr schlechter Pilgerführer hat ihnen diesen Weg nicht verraten. Leider trennten uns unsere Wege bereits in San Vicente, da die beiden hier ihren Weg beendet haben.

Die deutsche – aus Berlin stammende – Pilgerin von gestern, Roswitha, überholten wir auf den letzten 5 km vor dem Ziel. Sie wollte in die gleiche Herberge wie wir.

Nach mehr als 4 Stunden Sprühregen, wenig Sicht auf traumhafte Strände und grüne wellige Landschaften sind wir nach 20 km in Serdio angekommen. Eine kleine private Pilgerherberge ist unser Zuhause für die Nacht. Viel zu erleben gibt es in Serdio nicht – mit 200 Einwohnern recht überschaubar. Zum Abendessen gehen wir in die Dorfkneipe und werden bestimmt Roswitha und den einen oder anderen Pilger treffen.

Ach ja. Noch ein Wort zu dem Strandfoto und Martinas weißen Socken, die keine Socken sind… Der Ausschlag, den sie durch verschiedenste Wanderstrümpfe in den letzten 3 Jahren bekam, konnte mit einer darunter gewickelten elastischen Binde in Schacht gehalten werden. Warum auch immer – schon nach dem 1. Tag gestern zeigten sich trotz Binde die roten Spuren. Heute gab es den Versuch mit Binde und normalen etwas kürzeren Sportsocken. Nachteil ist natürlich die fehlende Höhe und Polsterung im Zehen- und Fersenbereich. Fortsetzung folgt…

Tag 4 – Serdio nach Pendueles (21 km)

Unser Abend in Serdio verlief in der Dorfkneipe ruhig bei einem Pilgermenü und einer Flasche Wein, französischen Pilgern, die nur französisch, und spanischen Pilgern, die nur Spanisch sprachen…

Nach dem Herbergsfrühstück mit Roswitha mit geröstetem Weißbrot und Marmelade ging es in den 3. Wandertag.

Bei 11 Grad und regengrauem Himmel – immerhin kein Regen – verlief der Weg die ersten 4 km auf einer wenig befahrenen Asphaltstraße durch einen duftenden Eukalyptuswald, dann auf einem durch den Regen recht aufgeweichten Waldweg bis nach Unquera. Dort passierten wir über eine Flussbrücke die Grenze zu Asturien.

Nach einem knackigen Anstieg verweilten wir kurz vor Colombres an einer kleinen Kapelle, wo ein alter Mann für uns zwei Kerzen anbrannte… Innehalten war angesagt.

Kurz vor der kleinen Kapelle

Am Ortsausgang von Colombres kam das erste Mal auf unserer Reise die Sonne zum Vorschein. Erst zaghaft, aber dann doch für den Rest des Tages unser Begleiter.

Die nächsten Kilometer führte der Weg auf einer seit dem Autobahnneubau kaum mehr befahrenen Straße bis nach Buelna – das Meer in Sichtweite.

Nun kam ein 3 km-Abschnitt, weswegen wir uns letztes Jahr für diesen Camino entschieden haben: kleine bezaubernde Buchten, Felsformationen und Steilhänge, der Geruch des Meeres…

Pendueles erreichten wir nach knapp 21 km am Nachmittag. Herbergen gibt es in regelmäßigen Abständen. Aber aufgrund des Regenwetters, was noch bis nächste Woche prophezeit wird, entschieden wir uns gestern Abend, die kommenden Nächte in privaten Herbergen oder kleinen Hotels vorzureservieren. Das Trocknen der nassen Sachen, Capes und Schuhe brauchen etwas mehr Platz als in öffentlichen  Pilgerherbergen vorhanden.

So ist die Casa Nueva Carmen – das ganze Haus mit Garten für uns allein. Die nette Vermieterin schnappte sich gleich unsere Wäsche, eine Stunde später hing sie schon in der Sonne zum Trocknen.

Ein Haus für uns für heute Nacht in Pendueles

Ein kleiner Abstecher ohne Rucksack und Wanderschuh zum Playa de Pendueles.

Playa de Pendueles

Da wir einen wunderbaren Garten vor der Tür haben und die Sonne immer noch scheint, gibt es gleich Selbstversorgerabendbrot vom Feinsten… Auch wegen der vielen Leckerlichkeiten auf unserem Tisch sind wir nach Spanien gefahren.

Tag 5 – von Pendueles nach Celorio (22 km)

So sonnig wie der Tag endete, so begann der heutige Tag auch. Ungewohnter blauer Himmel und um die 14 Grad – ein perfekter Start. Danke allen, die uns die Daumen gedrückt haben.

Der Start kurz nach Pendueles mit endlich freiem Blick zu den Picos de Europa

Die Gebirgskette begleitet uns schon seit Kantabrien und hat auf relativ wenig Fläche 200 Gipfel mit über 2000 m. Der höchste ist der Torre de Cerredo mit 2.648 m. Der Gebirgszug liegt nur 20 km von der Küste entfernt.

Als wir auf unserem Weg den ersten Meerblick erhaschten, versperrten zwei Tagespilger unsere Sicht.

Light-Pilger behindern die Sicht

Aufgrund des guten Wetters war auch der Atlantik sehr friedlich. Leider – denn die so genannten Bufones sind ein Naturphänomen und nur bei starker Brandung erlebbar. Durch Verkarstung sind Aushöhlungen im Felsenboden entstanden. Bei starkem Seegang drängen die Wellen in diese und schießen bis zu 20 m hoch und speien Steinchen aus. Bei dem leichten Wellengang heute haben sie lediglich gefaucht.

In diesem schwarzen Loch lauert es …
Bufones de Arenillas
Blick in die Schlucht des Puròn

Die Stadt Llanes erreichen wir auf einem langen wunderschönen Ziehweg, der unterhalb eines riesigen Golfplatzes entlang und sehr wellig auf und ab führt.

Llanes zu unseren Füßen

Hinter dem Örtchen Poo trafen wir auf einen alten Mann, dem man die vielen Sprachen, die er sprach, nicht gerade ansah. Aber auf seinen Rat hin gingen wir einen kleinen Umweg und wurden mit tollen Ausblicken belohnt.

Die Bucht von Poo

Es gibt immer wieder mal Tage, an denen man meint, der Rucksack wäre doppelt so schwer und die Tagesdistanz doppelt so lang wie sonst. Wir hatten heute beide so einen Tag. Trotz anfangs blauem Himmel (der sich ab Mittag grau verfärbte) waren wir sehr froh als wir unser Ziel Celorio erblickten.

Hinter der nächsten Kurve wartet Celorio

Unser Menü del Dia gab’s heute schon um 4. Aber gleich erkunden wir nochmal dem schönen Strand des kleinen Ortes – wenn der Regen dann aufgehört hat.

Tag 6 – von Celorio nach Cuerres (20 km)

Unsere niederländischen Freunde Josè und Ad sind ja momentan auch wieder auf einem Camino unterwegs, derzeit im Süden Frankreichs. Wohl als Inspiration hat ein Wegebetreuer dort Schilder mit Sprüchen am Wegesrand angebracht. Eine nette Idee wie wir finden. Einer davon gefiel uns besonders:

Du musst schlafen, um träumen zu können. Aber du musst aufstehen, um ihnen folgen zu können.

Nachdem das Einchecken gestern etwas schwierig verlief (das Hotel war nicht besetzt und wir fanden niemanden der Englisch sprach) war unser Aufenthalt dort sehr schön. Ein ausgiebiger Strandspaziergang am Abend hat uns beiden gut getan.

Das Gläschen Rioja im Anschluss auf unserem kleinen Balkon ebenso.

Unser Hotel in Celorio

Mit einem grauen Himmel begann der Tag, erst gegen Mittag lockerten die Wolken auf.

Nach einigen Kilometern haben wir eine deutsche Pilgerin eingeholt, mit der wir ein Stündchen zusammen liefen. Völlig ins Gespräch vertieft, verpassten wir einen Abzweig und kamen vom Weg ab. Aber da ist ja immer noch Jakobus – der uns in Gestalt eines alten Mannes den Weg zeigte. Er begleitete uns auch noch so lange, bis wir auf dem richtigen Weg waren.

Die Kirche von Barro

An unserem ersten Stopp in Niembro mit einem wunderbaren Dorfplatz mit Brunnen hat uns die Pilgerin verlassen. Sie ist seit kurzem Rentnerin und läuft ihren ersten Camino.

Dorfplatz mit Brunnen in Niembro
Küstenblicke

Nachdem uns der gestrige Tag so schwer gefallen ist und wir das Gefühl hatten, nicht voran zu kommen, waren wir heute schon in 4 Stunden Laufzeit an unserem Ziel. Abgesehen von den ersten 7 km, bei denen wir immer wieder herrliche Aussichten aufs Meer hatten, ging es den Rest des Weges durch Wälder immer entlang der wenig befahrenen Eisenbahnstrecke.

In Cuerres besuchten wir zuerst mal die Dorfbar. Hier bekamen wir von einem sehr freundlichen Wirt ein gutes Essen. Es gab typisch asturische Küche: Fischsuppe und Schinken mit Chorizo-Wurst und Pommes.

Unser Etappenort

Mit einer Flasche Wein in den Beinen hatten wir noch 500 m bis zu unserem Quartier. Da die Tür aufgrund der Siesta noch verschlossen war, sind wir durch den offenen Hintereingang in den hübschen Innenhof und haben es uns dort gemütlich gemacht.

Unser Hotel Aldea del Trasgu

10 min. später kam die Hotelchefin, Jolanda, angerannt und entschuldigte sich für die verschlossene Tür. Da ihr Englisch nicht so gut ist, holte sie ihren 15-jährigen Sohn dazu. Zusammen klappte das Einchecken ganz schnell. Wir verstanden uns auf den ersten Blick. Jolanda hat mit ihrem Mann hier in den letzten 20 Jahren eine richtige Wohlfühloase geschaffen.

In der Zwischenzeit trudelten erst Patti und John aus Altlanta/Georgia ein und kurz darauf Roswitha, die wir schon die anderen Tage getroffen haben. Und da war es wieder: das Pilgerfeeling. Nach interessanten Gesprächen zur Verbesserung des Weltfriedens und anschließend sehr persönlichen Gesprächen sind die drei jetzt erstmal zum Abendessen gegangen. Wir haben uns für später noch verabredet.

PS. Die Geschichte mit meinen Füßen ist noch nicht beendet. Danke für den seelischen Beistand und die Tipps von einigen von Euch. Die Umsetzung der Idee, einen Feinstrumpf unter die Socke zu ziehen, gestaltet sich schwierig – in den kleinen Dörfern, die wir passieren, gab es bislang keine zu kaufen. Gestern habe ich ein paar ganz einfache Baumwollsocken erstanden. Naja, perfekt ist anders – aber es ist zumindest nicht schlimmer geworden. Fortsetzung folgt.

Ansonsten geht es uns gut. Keine Blasen, kein Knie, kein Rücken.

Tag 7 – von Cuerres nach La Isla (27 km)

Abschied von Jolanda

Nach einem sehr schönen Abend mit unseren 3 Mitpilgern und einem perfekten Frühstück begann der Tag mit strömendem Regen. Abwarten war keine Alternative. Die Prognose war nicht erbauend. So packten wir uns in unsere Capes und stiefelten los. Die Amis waren schon gestartet, Roswitha holten wir nach ein paar Minuten ein. Nach 6 km schlammigen knöcheltiefen Wegen kamen wir im Städtchen Ribadesella an, machten kurz Rast und überlegten das 1. Mal, den Bus zu nehmen.

Aber wir verschoben die Entscheidung bis in den nächsten Ort, San Esteban.

13 km hatten wir rum, die Hälfte der Tagesdistanz. Der Regen hatte fast aufgehört, dafür war der Energietank leer. Ein Stopp in der örtlichen Herberge, ne Cola und aufbauende Worte von Hospitalera und Ehefrau ließen uns den Weg fortsetzen. Und wir wurden belohnt: mit zwei sehr schönen Dörfchen und interessanten Einblicken.

Die Waschstelle im Dorf
Maisspeicher

Diese für Asturien typischen quadratischen Maisspeicher – Hórreos genannt – sind oft so groß, dass sie heutzutage sogar als Wohnraum dienen, wenn sie als Speicher keine Verwendung mehr haben. In Galicien auf dem Camino Portuguese haben wir diese in länglicher Form und aus Stein schon kennengelernt.

auf dem Weg

Ein Grund fürs heutige Durchhalten waren natürlich auch die Meerblicke…

Das Ziel rückt näher

Und dann öffnete sich vor uns die Bucht von La Espasa, an derem Ende das Örtchen La Isla liegt.

Erschöpft aber sehr zufrieden kamen wir nach 27 km in unserem kleinen Hotel an. Und als erster begrüßte uns John. Er und seine Frau hatten einen Teil der Strecke mit dem Bus zurückgelegt. Es waren heute wohl ganz viele Pilger, die keine Lust auf Pilgern im Regen hatten! Stellenweise war der Weg so aufgeweicht, dass uns der Matsch bis zu den Knöcheln stand. Wir werden John und Patti  später zum Abendessen noch sehen. Vielleicht werden wir auch Roswitha treffen, die eigentlich in einem 100 m entfernt liegenden Hotel sich ein Zimmer reserviert hat.

Das Hotel ist so nett, unsere dreckigen Sachen zu waschen und zu trocknen. Das sollte man mal in Deutschland im Hotel nachfragen – da muss ich jede Socke einzeln bezahlen. Hier ist es einfach nur ein günstiger Service.

Unterwegs haben wir heute 2 Koreanerinnen bewundert. Während unsere Schuhe total dreckig vom Matsch waren, waren ihre Schuhe ganz sauber. Die Koreaner sind uns in einigen Belangen voraus.

Wir haben heute auch den obligatorischen Pilger, der den Weg als Wettrennen um Betten und die längste Tagesetappe versteht, getroffen. Auf einer Kuhwiese lies er sich weder von unserem Gruß, dem steilen nassen Hang, noch vom Kuhdung aufhalten! Drahtig hastete er wortlos von dannen. Von hinten sah er aus, als hätte er nicht mal die Zeit gehabt, die Jacke und den Rucksack richtig aufzusetzen.

Ein wenig Glück hatten wir trotz des schlechten Wetters übrigens auch. Immerhin war es ab ca. 11 Uhr bis auf vereinzelte Tropfen trocken. Als wir dann aber in unserem Zimmer das Gepäck abgelegt hatten, fing es wieder an aus Eimern zu gießen – wenn Engel reisen!

 

Tag 8 – von La Isla nach Villaviciosa (23 km)

Ein gemütliches Abendessen im Hotelrestaurant und einen letzten netten Plausch mit Patti und John – das war unser Abend in La Isla. Die Amis wollten heute Nachmittag von unserem Tagesziel aus nach Oviedo mit dem Bus fahren, um Freunde zu treffen. Die beiden werden wir wohl nicht mehr wieder sehen. Roswitha trafen wir in La Isla nicht nochmal. Aber auch sie hatte heute das gleiche Etappenziel. Wir werden heute Abend die Augen offen halten.

Blick zurück

Blauer Himmel und Sonne – so sollte es den ganzen Tag bleiben. Um die 20 Grad war warm genug, um die 23 km berghoch und runter gut zu meistern. Die Spanier sagen wellig dazu – für uns Thüringer ist es schon ganz schön hügelig. Dies gilt für die ganzen zurück liegenden Etappen – wobei es morgen erst die eigentliche Bergetappe gibt.

Gefrühstückt haben wir nach 3 km im ersten Dorf vor der Kirche mit Schinken, Baguette und Tomate sowie Kaffee aus der nächsten Bar – wie so einige andere Mitpilger auch, die wir in den letzten 2-3 Tagen schon häufiger getroffen haben: die zwei Koreanerinnen, das nette Deutsch sprechende Pärchen aus dem Elsass, mit denen wir immer gern plaudern, ein französisches Pärchen, ein Vater mit seiner fast erwachsenen Tochter…

Eine kleine Kapelle am Weg

Die Spuren des gestrigen Regens waren überall noch deutlich sichtbar, wenngleich es heute zumindest zu Beginn fast nur auf asphaltierten kleinen Sträßchen entlang ging.

Maisspeicher mit Orangenbaum
Kleine Oase am Weg

Erst nach ungefähr der Hälfte führte uns der Camino über sehr schöne – wenn auch teils glitschige – Wald- und Feldwege. Aber bei Sonne sieht alles irgendwie noch schöner aus…

Blick in die Bucht von Villaviciosa

Als Nachwehen von der gestrigen langen Etappe kamen wir mit recht müden Beinen in Villaviciosa an. Ein klangvoller Name für ein 15000 Einwohner zählendes Städtchen – dabei heißt „viciosa“ wörtlich übersetzt bösartig. Die eigentliche Bedeutung des Ortsnamens ist aber „fruchtbare Stadt“, was sich auf das größte Apfelanbaugebiet Spaniens bezieht, die besten Hersteller von Sidra, dem spritzigen Apfelwein, haben hier ihren Sitz.

Eine nette Altstadt, ein kleines Restaurant auf einem hübschen Platz und eine Deutsch sprechende Kellnerin luden uns zum Essen ein. Das Menu del Dia war super. Das Schöne an unserer Bar war, dass unser Hotel nur 50 m weiter liegt. Wir haben 2 Stunden lecker getafelt – auch das Auge hat mitgegessen…

Gegrilltes Gemüse

Und dann…

kommen fünf Pferde an eine Bar…

und warten direkt neben unserem Tisch unangeleint in einer Reihe mitten an der Straße, bis ihre Reiter fertig sind mit Wein und Essen. Ein nettes Unterhaltungsprogramm.

Von Villaviciosa aus gibt es die Möglichkeit, auf dem Camino Primitivo über Ovideo nach Santiago de Compostella zu pilgern. Primitiv sollte zumindest nicht die Kondition sein, wenn man hier entlang laufen möchte. Es geht nämlich noch mehr die Berge rauf und runter. Der Camino del Norte ist schon ein gefürchteter Weg, weil er 2x mehr Höhenmeter für die Pilger bietet als der Camino Frances, auf dem fast 80 % der Pilger unterwegs sind. Was lernt der Leser aus diesen Zeilen: Carsten und Martina sind gut drauf. Im Fenster der täglichen Wegstrecke erkennt man oben links das Höhenprofil.

PS. Die Baumwollsocken erfüllen ihren Zweck immer noch hervorragend. Sie werden zwar schon an einigen Stellen etwas dünner, aber nach der abendlichen Waschung sehen sie wieder wie neu aus. Die geröteten Stellen an den Fesseln verschwinden allmählich.

Tag 9 – von Villaviciosa nach Gijon (20 km)

Endlich mal eine offene Kirche – Santa Maria de la Oliva

Bei unserem abendlichen  Bummel durch Villaviciosa (im Regen) kamen wir an dieser schönen mittelalterlichen Kirche vorbei. Leider finden sich entlang des Weges ganz ganz wenig offene Kirchen. Meist sind sie mit einem Vorhängeschloss zusätzlich gesichert und werden nur zu den Gottesdiensten geöffnet.

Apfelmonument – ehrt die Frucht und den spritzigen Apfelwein, dem Sidra

Ein anderer Pilger, ein Österreicher, hatte sich auch in dem netten Hotel niedergelassen – so fiel unser gemeinsames Frühstück etwas länger aus. Er konnte diese Etappe heute nur mit dem Bus bewältigen. Nach seinen eigenen Worten schlecht vorbereitet – war er mit 15 kg Rucksack und viel zu langen Etappen mit 35-40 km erst in Bilbao gestartet. Mit einer Sehnenentzündung im Schienbein braucht er nun erstmal ne Pause.

Nach schweren Gewittern in der Nacht ging es bei grauem Himmel aber trocken in die so angekündigte „Königsetappe“, die es wirklich in sich hatte. Auf 2,5 km stiegen wir von 80 m auf 430 m meist auf einem Asphaltweg steil bergan. Danach ging es genauso steil wieder bergab. Für den zweiten Berg, der sich direkt anschloss, mussten zwar nur 200 Hm überwunden werden, dafür aber auf einem zum Teil tief ausgespültem Hohlweg.

1. und 2. Anstieg

Für Abwechslung sorgte allerdings eine Gruppe von ca. 15 Läufern, die den gleichen Weg von Villaviciosa nach Gijon joggten.

Läufergruppe

Zwischen den zwei Bergen an einer Bar wurden wir mit stehenden Ovationen, singend und klatschend empfangen. Das war super nett und auch für die anderen Besucher sehr lustig. Und mehr Motivation geht nicht.

unterwegs

Nach dem ersten Pass haben wir einen alten Pilger, geschätzt 80 Jahre, überholt, der mit viel zu viel Gepäck und schief sitzendem Rucksack unterwegs war. Er erkundigte sich, ob wir seinen Freund, einen älteren Herrn gesehen haben. Da wir bis hierher noch keinen Pilger überholt haben, war der alte Pilger sehr traurig, da er seinen Freund verloren glaubte. Nachdem wir im Tal die freundliche Begrüßung durch die Laufgruppe erlebten, haben wir den gesuchten Pilger am Tisch sitzend gesehen. Es stellte sich heraus, dass es ein 82-jähriger Amerikaner mit deutschen Wurzeln war. Er freute sich sehr, dass sein ebenso alter Freund ihn sucht und auch bald ankommen würde. Wenn wir in dem Alter noch so fit sind…

Für die letzten 6 Kilometer haben wir uns ab dem Campingplatz in Deva einen Bus nach Gijon gegönnt. Es ist nicht schön, durch endlose Vorstädte oder Industrie-/Gewerbegebiete zu laufen, wenn man zuvor ein schönes romantisches Dorf nach dem anderen durchquert hat!

Wir haben inzwischen gegenüber unserer Planung einen Tag Vorsprung und könnten uns eigentlich in Gijon einen Ruhetag gönnen. Aber unser erster Eindruck von der Stadt lässt uns wahrscheinlich morgen weiter laufen.

Fällt Euch zu Gijon etwas ein? Die Schande von Gijon!? 1982 spielte Deutschland in der Gruppenphase hier gegen Österreich 1:0 … Das Ergebnis reichte beiden Mannschaften, um eine Runde weiter zu kommen. Beide Mannschaften spielten nach dem frühen deutschen Tor, als wollten sie sich nich weh tun – das schlechteste und unsportlichste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft ging als Schande von Gijon in die Geschichte ein.

Nachdem es direkt nach unserer Ankunft zu schütten begann, ließ es gegen Abend etwas nach und wir erkundeten die Stadt.

Altstadt von Gijon

Kirche San Pedro
Einer der schönsten Stadtstrände in Spanien

Gijon ist mit 274.000 Einwohnern die größte Stadt in Asturien. Leider wurde sie 1937 im Spanischen Bürgerkrieg fast vollständig zerstört. Es gibt nur sehr wenige alte oder restaurierte Gebäude.