Tag 9 – von Arzua nach Amenal (ca. 23 km)

Der Abend hat es ja schon erahnen lassen – es werden die nächsten zwei Tage mehr Menschen unterwegs sein. Aber der Start in Arzua glich einem Betriebsausflug von einem sehr großen Unternehmen. Obwohl wir erst gegen halb 9 losliefen – viele machen sich sehr viel zeitiger auf den Weg – kamen Pilger aus allen Winkeln Arzuas. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Feld sich auseinander zog.

Die Compostela, also die Urkunde, erhält derjenige, der mindestens die letzten 100 km zu Fuß oder 200 km per Rad absolviert hat. Dadurch sind natürlich jetzt viel mehr Menschen unterwegs, sowohl auf dem del Norte als auch auf dem France. Und hinzu kommen viele – wie es scheint – Tagespilger. Unser geschultes Pilgerauge 😉 erkennt mittlerweile, wie lange ein Pilger schon unterwegs ist – an Gang, Haltung, Ausrüstung, am Blick.

Der Weg indes war heute wirklich schön, durch wunderbare Natur zog er sich mal hoch, mal runter durch kleine Orte, Wälder und Felder. Die Temperatur stieg bis auf 16 Grad, die Sonne lächelte vom Himmel – perfekter kann Wanderwetter nicht sein. Auch körperlich ging es uns beiden sehr gut, wir merken, dass wir mittlerweile gut eingelaufen sind.

Nach ein paar Kilometern entdeckten wir dann auch mal bekannte Gesichter. Die Kemptner schlossen zu uns auf, Tanja hat die Wundermedizin scheinbar geholfen. Durch sie und jede Menge Schlaf war das Fieber zurück gegangen und Tanja fühlte sich fit für die letzten beiden Etappen.

Auch den Chicago-Men, der eigentlich Dan heißt, trafen wir nach 4 Tagen wieder (er teilte mit uns den viehischen Gegenverkehr).

Pause …

Ein großer Vorteil des Camino Frances ist die Anzahl der Einkehrmöglichkeiten. Auf manch langer Etappe des del Norte haben wir dies vermisst. Auch ist die Anzahl der Herbergen entsprechend hoch.

Je weiter wir an SdC heran kommen, treffen wir auf Stellen, an denen Pilger Andenken an irgend jemanden oder irgend was ablegen.

Unsere heutige Herberge befindet sich 3 km nach dem eigentlichen Etappenziel, daher haben wir es sehr viel ruhiger. Das Haus „Kilometer 15“ befindet sich direkt am Weg und hat drei super nett gestaltete Zimmer. Der Name rührt von der Entfernung nach SdC – allerdings auf der Straße. Uns stehen morgen noch einmal ca. 16 km bevor.

unsere Herberge für heute: Pension Kilometer 15

Auch wenn wir sicher sind, alle Pilger, die wir in den letzten Tagen kennenlernten, wiederzusehen, verabredeten wir uns für morgen Abend um 6 vor der Kathedrale auf ein Ankommensbier.

Tag 10 – von Amenal nach Santiago de Compostella (ca. 16+3 Umwege km)

Nach einer guten Nacht versperrte uns dicker Nebel heute den 1. Blick aus dem Fenster. Ab 6 Uhr klackten schon die ersten Pilgerstöcke über den Asphalt. Beim üblichen Cafe con Leche mit Croissant vor der Herberge gesellten sich Anja aus Hannover und Manu aus dem Schwarzwald (gebürtige Erzgebirglerin) zu uns. Gestern Morgen nach dem Start in Arzua liefen wir ein Stück des Weges gemeinsam. Die beiden sind seit 4 Wochen auf dem Frances unterwegs und hatten sich gleich zu Beginn kennengelernt. Da uns beide Mädels sehr sympathisch waren, war die Freude über das Wiedersehen groß. Das nächste Treffen gibts dann wohl in SdC am Dienstag, da die Mädels sich mit dem Ankommen Zeit lassen wollen – wie so einige andere Pilger auch.

Der Weg war wider Erwarten sehr schön, führte durch kleine Wälder und nette Vororte. Erwähnenswert ist die hübsche kleine Kirche in San Paio sowie der uralte Waschplatz in Labacolla, wo sich die Pilger – bevor sie die Stadt betraten – gründlich wuschen. An dieser Stelle fließen zwei Bäche zusammen.

Monte do Gozo – Berg der Freude – dies bezog sich im Mittelalter auf das große Glücksgefühl, wenn die Pilger nach allen Strapazen endlich ihren Zielort erblickten – und das gibts heute noch. Ab hier ging es ca. 5 km durch Industrie- und typische Vorortgegenden. Aber der Nebel lichtete sich pünktlich auf dem Berg.

Die Vorfreude stieg, wenngleich es ein anderes Gefühl ist als vor 4 Jahren nach dem Abschluss des Camino Portugues. Jetzt wussten wir beide, was uns erwartet. Und vielleicht hat es auch damit zu tun, dass wir den Weg in Teilstücken gelaufen sind.

Aber egal – die Freude war dann trotzdem da, auch die bekannten Gesichter wiederzusehen – und so ein kleines bisschen stolz sind wir auch auf die gelaufenen insgesamt 835 km.

Um 18 Uhr trafen wir uns alle nochmal vor der Kathedrale – es hat sich wohl rumgesprochen, dass alle, die den Norte absolviert haben, sich treffen. Von den Gesamtpilgern, die heute angekommen sind, sind wir nur ein kleiner Bruchteil – ca. 4 % laufen nur den Camino del Norte.

Fast 40 Pilger aus mind. 13 Ländern (Frankreich, Polen, Schweiz, Chile, Japan, Columbien, Italien, Holland, Tschechien, Ukraine, Kanada, USA und Deutschland)

Nach dem letzten Absacker sind wir dann auch wieder dem Geist von Santiago begegnet:

Tag 11 – Ruhetag in Santiago de Compostella

Nach einem langen Abend mit den anderen Pilgern war erst einmal Ausschlafen angesagt. Im Pilgerzentrum holten wir uns dann unsere Compostela ab. Die lange Wartezeit nutzten wir zum Plaudern mit anderen Pilgern. So lernten wir auch Gabi kennen, eine Frau, die in Grölden im Südtirol ein Restaurant führt. Schade, dass wir sie auf dem Norte nicht trafen, sie war etwas hinter uns. Sie erzählte uns, dass ihr Rucksack beim Hinflug nach Bilbao abhanden gekommen war. So musste sie sich zwangsläufig mit allem neu versorgen – dank Decathlon gelang dies vom Slippi bis zum Rucksack, vom BH bis zu den Schuhen. Eine echte Horrorvorstellung. Man nannte sie auf dem Weg „Pink Lady“, Decathlon ist gerade sehr pink/lila-lastig 😉

Nach einem späten Frühstück ließen wir uns durch die schönen Gassen Santiagos treiben. Zum Mittag sind wir – wie vor 4 Jahren schon – ins Seminario Mayor gegangen. Dieses alte Kloster mit Pristerseminar ist ein wunderbarer ruhiger Ort neben der Kathedrale, fernab vom Trubel der Stadt. Zum Teil als Hotel genutzt, gibt es hier ein sehr leckeres Menu del Dia. Und wir trafen einige bekannte Gesichter.

Im Gegensatz zu vor 4 Jahren leuchtet das Hauptportal der Kathedrale im neuen Glanz – ganz ohne Baugerüst und Planen. Dafür ist aber der gesamte Innenraum eine Großbaustelle. Dadurch wird bis zum nächsten Heiligen Jahr 2021 keine Messe gefeiert und auch das Botafomeiro ist eingemottet. Ans Grab von Jakobus kommt man ran und man kann ihm auch auf die Schultern fassen und küssen – der eigentliche Abschluss einer Pilgerreise.

Zwar hatten wir das Angebot nach unserer letzten Ankunft schon genutzt, aber wir ließen uns erneut zum spirituellen Rundgang um die Kathedrale führen. Danach sind wir mit Andreas aus dem Hunsrück und Peter aus der Nähe von Aachen noch eine Kleinigkeit essen gegangen. Kurze Zeit drauf gesellten sich 4 weitere Norte-Pilger zu uns und es wurde nochmals ein sehr lustiger Abend. Zum Absacker sind wir dann noch in die gestrige Bar, wo der Rest unserer Runde saß. So konnten wir uns von allen verabschieden, da wir ja morgen früh weiterlaufen.

Andreas und Peter
Nicole aus Frankfurt und Sönke aus HH sowie Hermann aus NL und Ranger Paul aus Vancouver
und tschüss…

Tag 12 – von SdC nach A Pena (ca. 28 km)

Früh am Morgen verließen wir unsere sehr schöne und empfehlenswerte Pension Campanas de San Juan, die nur 50 m von der Kathedrale entfernt lag. Über den fast menschenleeren Platz ging es zum Frühstück und wenig später machten wir uns auf den Weg.

(Die Aufzeichnung hatte was gegen die Fortsetzung des Weges.)

Der Verlust des Meeres wurde schon die letzten Tage mit den schönen Waldwegen kompensiert – und das setzte sich auch heute fort. Leider fiel bei Martina gleich zu Beginn der Allradantrieb aus, einer der Stöcke ließ sich nicht mehr fixieren. Ein Problem, um das wir uns später kümmern werden. Abgelenkt wurden wir auf der heutigen Etappe von Corinna und ihrem Papa (aus Paderborn bzw. Höxter). Die ersten 20 km waren im Flug vergangen. Die Mädels hatten gleich einen Draht und schnatterten fast ohne Unterbrechung.

Bei einer Rast am möglichen Etappenziel entschieden wir uns, noch 7 km weiter zu laufen – so werden aus 32 morgen nur 25 km. Bei der Suche nach einer Herberge stießen wir auf Alto da Pena, ganz neu und modern und neben den Gemeinschaftsschlafräumen gab es auch schicke Doppelzimmer. Perfekt.

Martina nahm sich am Abend ihren Stock zur Brust und – dank wiedermal ihrer polytechnischen Ausbildung – ist er morgen wieder einsatzbereit.

Das Pilgermenü für die ungefähr 25 Pilger aus 7 Ländern, darunter viele Deutsche, war leckere Hausmannskost. Eine Diskussion mit Pilgern aus Texas, Australien, Neuseeland, Indien, Kanada und uns über die große Weltpolitik beschloss den netten Abend.

Tag 13 – von A Pena nach Olveiroa (ca. 26 km)

Welch schöner Morgen! Zwar immer noch frische 6 Grad, aber sonnig und nur etwas bewölkt. Wir waren wie immer fast die letzten, die sich gegen 8 nach einem guten Frühstück auf den Weg begaben.

Größtenteils auf kleinen Asphaltstraßen ging es die 26 km bis zum Etappenziel Olveiroa relativ unspektakulär. Nach ungefähr der Hälfte freuten wir uns, Corinna und Bernd bei einer Bar wiederzutreffen. So liefen wir wieder ein Stück des Weges gemeinsam bis die ersten Regentropfen aus den aufgezogenen dunklen Wolken fielen. Von einem Hügel hatten wir einen schönen Blick auf die sehr wellige Landschaft und einen Stausee.

Am Wegesrand wurde unter vielen anderen die Albergue Loncho angepriesen – zu Recht, ein schönes Zimmer und ein leckeres Essen erwarteten uns.

Weil die Nachfrage kam und es einige gibt, die das gleiche Problem teilen: Ein Vorteil der kühlen Temperaturen war, dass die Rötung der vergangenen Jahre an Martinas Knöcheln bislang ausblieb. Nach Recherche handelt es sich übrigens um die sogenannte „Purpura déffort – Des Läufers rote Beine bei Hitze“ oder auch Wander- oder Pilgerkrätze – ein scheußliches Wort wie ich finde. Es ist nicht gefährlich und hat weder mit der Art bzw. Beschaffenheit der Strümpfe oder Schuhe zu tun. Vielmehr sind es wohl Kapillarblutungen unter der Haut. Füße hochlegen, kalt abduschen, vorbeugend Kompressionsstrümpfe tragen. Naja, aber zu kurzen Hosen Kniestrümpfe tragen? – Es gibt Schöneres…

Diese Links erklären nicht alles, aber beruhigen in gewisser Weise: https://www.wrightsock.de/wissen/fussgesundheit/purpura-deffort-rote-pusteln-am-bein/

https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/haut-krankheiten/article/599777/purpura-deffort-des-laeufers-rote-beine-grosser-hitze.html

Tag 14 – von Olveiroa nach Cee (ca. 20 km)

Der Tag sollte ganz anders verlaufen als geplant. Nach knapp 250 km hatte sich eine kleine Blase an Martinas kleinem Zeh entzündet, so dass es zumindest für heute für sie nicht weiterging. Tief traurig, nicht wandern zu können, bot sich aber beim Frühstück der sympathische Toni, Kellner und Taxifahrer in einer Person, an, sie in den nächsten Zielort nach Cee zu fahren. Eine weitere Fußlahme, Claudin aus Belgien, gesellte sich dazu. Claudin ist mit ihrem Mann (61 und 65 Jahre, gerade pensioniert) in Belgien vor 8 Wochen gestartet. Ihre Wanderschuh sind nach knapp 1800 km kaputt gegangen und das neue Paar war etwas zu eng. Eine Sehnenentzündung zwingt sie, die letzten Tage jeweils ein Taxi zu nehmen, während ihr Mann die Etappen weiterlief.

Martina wurde direkt am Hospital abgeladen und ließ sich nach einiger Wartezeit in der Notaufnahme verarzten: eine professionelle Wundversorgung, Entzündungshemmer und der Aufforderung, auf längere Märsche in den nächsten Tagen zu verzichten. Keiner der Ärzte und Schwestern konnte ein Wort Englisch, aber dank Smartphone und Google gab es keine größere Verständigungsbarriere. Und dank EU ist mit dem Zeigen der Gesundheitskarte alles problemlos abgedeckt.

Während dessen machte sich Carsten allein auf den Weg. Mächtig neblig, aber immer sonniger werdend, genoss er die 20 km. Die Temperaturen liegen nach wie vor bei max. 16 Grad. Gegen Mittag zieht sich der Himmel meist zu, aber es bleibt meist trocken. Eine Engländerin, zwei Spanierinnen, die wir schon seit Santiago täglich treffen, und ein Norweger haben ihm die Zeit verkürzt. In 3:30 Stunden war er schon in Cee um Martina ggf. aus dem Krankenhaus abzuholen.

Die ersten Kilometer gingen entlang einem rauschenden Fluss, der ca. 50 m unter dem Weg verlief und alles in Nebel hüllte. Nach ca. 6 km kam die Gabelung, an der es nach Finisterre bzw. nach Muxia geht. Weil wir morgen ca. 5-6 km auf einem Sandstrand laufen wollen, geht es erst nach Finisterre und dann nach Muxia.

Das Meer kam nach ca. 10 km erstmals in Sicht, sogar bis zum Kap Finisterre. Übrigens heißt die Küste hier Costa del Morte (Todesküste – aufgrund der schwierigen Bedingungen für die Seefahrt und den daraus resultierenden Schiffbrüchen und Toten) und war früher als das Ende der bekannten Welt. Trotzdem hat es schon zu Zeiten der Römer viele Menschen hier her gezogen.

50 m nach dem Verlassen des Krankenhauses lief Martina Corinna und Bernd in die Arme. Eigentlich hätte man sich nicht wiedergesehen, da beide einen Tag weniger haben, nach Muxia zu gelangen. Die Freude war wieder groß und wir konnten uns richtig verabschieden.

Am Abend machten wir uns auf den Weg zu einer Apotheke, das Medikament holen und trafen am Busbahnhof auf die Belgier. Claudin wird morgen den Bus nach Fisterra nehmen. Da es auch für Martina besser ist sich zu schonen, wird sie Claudin begleiten. Gemeinsam beschlossen wir den Tag in der nächsten Bar.

Tag 15 – von Cee nach Kap Finisterre (ca. 20 km)

Nach einem gemeinsamen Frühstück trennten sich heute unsere Wege.

Carsten lief diese Etappe entlang schöner Buchten.

Martina traf sich mit Claudin am Busbahnhof, gemeinsam fuhren sie nach Fisterra, Zielort des Tages. Nach einem kleinen Spaziergang traf auch schon Carsten ein.

Es war zwar erst später Vormittag, aber wir konnten unser Zimmer in einer kleinen Pension schon beziehen. So machten wir uns ohne großes Gepäck auf den Weg zum Kap. Entlang einer Straße geht es die 2,5 km bis zum Leuchtturm. Der Ansturm von Pilgern und Touristen ist groß, im Juli/August würde ich diesen Ort meiden.

Für den Rückweg hat Martina das Angebot eines Schweizer Pärchens dankend angenommen, sie mit dem Auto zurückzunehmen. Sie wollte ihren Fuß noch etwas schonen. Als Carsten eintraf, gab es das lang ersehnte Meeresfrüchteessen: 2014 hatte Carsten das gleiche Gericht bei Abschluss seiner Reise von Görlitz nach Santiago bestellt und seit dem hat Martina sich vorgenommen, den gleichen Teller zu bestellen.

Nun sitzen wir auf dem Balkon unserer Pension mit Käse, Oliven, Tomaten, Rioja… So kann man es aushalten.

Morgen steht die letzte Etappe von Fisterra nach Muxia mit 30 km an.

Tag 16 – von Kap Finisterre nach Muxia (ca. 28,5 km)

Die Sonne geht auf über Fisterra und das fast 2 Stunden später als in Erfurt. Heute morgen war es 06:57 Uhr. Ein herrlicher Start in unseren letzten Wandertag. Eine halbe Rolle Tape und das Spezialpflaster, welches mir das Krankenhaus mitgab, mussten genügen, dass ich diese letzte Etappe schaffe.

Sonne, fast wolkenloser Himmel und bis 18 Grad – direkt in der Sonne etwas wärmer – es sollte wettertechnisch der schönste der 16 Wandertage werden.

Die 28 km hatten es nochmals in sich. Wunderschöne Wege durch Eichen,- Eukalyptus- und Lorbeerwälder sowie kleinen Ortschaften verliefen viel bergan und bergab. Nach 14 km legten wir in Lires eine Rast ein – das einzige Städtchen mit ner Bar. Hier trafen wir nochmals auf Dan, den Chicago-Man. Er lief den Weg in die andere Richtung. Lires war auch Martinas Taxi-Option, falls es doch nicht so läuft. Und prompt hielt Toni, der kellnernde Taxifahrer, und ludt wieder Pilgerrucksäcke (für die, die nicht tragen wollen) ein. Die Wiedersehensfreude war groß.

Keine 2 km später löste sich das Pflaster aber so langsam aber sicher. Kritischer Moment – aber: neu verbinden, Zähne zusammenbeißen und weiter gings. Zum Glück hielt es bis zum Schluss.

Als die Bucht von Muxia in Sicht kam, waren wir beide dann aber sehr froh und ganz schön platt.

Carsten hatte uns ein nagelneues Appartement in der ersten Reihe am Hafen gebucht. Aber zuvor gab es erstmal eine Stärkung.

Muxia ist ein sehr nettes und nicht von Touris überlaufenes Städtchen mit einem kleinen Hafen, einigen Bars und Restaurants. Am frühen Abend sind wir dann an die nördlichste Landspitze gegangen zur Kapelle zu Ehren der Heiligen Jungfrau. Der Legende nach ist die Mutter Gottes hier angelandet, um den Heiligen Jakob bei der Bekehrung der Menschen zum Christentum zu unterstützen. Die Kirche geriet während der Weihnachtstage im Jahre 2013 durch Blitzschlag in Brand, wurde aber wieder aufgebaut- mit großem Blitzableiter.

Direkt daneben ist ein großes Denkmal in Gedenken an das Schiffsunglück von 2002, als die „Prestige“ – ein Öltanker – direkt vor der Küste zerbrach und sank. Die Folgen der Ölpest konnten bis heute nicht vollständig beseitigt werden.

Claudin, meine Leidensgenossin, hat – vielleicht angespornt durch mich – sich ebenfalls vorgenommen, die letzte Etappe zu laufen. Leider haben wir sie nicht nochmal getroffen.

Dafür haben wir mit Corinna und Bernd, die noch einen Tag länger hier geblieben sind, einen sehr schönen Abend verbracht.

Tag 17/18 – von Muxia über Santiago nach Hause

Heute Morgen in Muxia. Kurz vor Sonnenaufgang um 06:45 Uhr ging es mit dem Bus die 90 km nach SdC zurück. Der Bus war voller Pilger, unter ihnen einige bekannte Gesichter.

Nachdem wir unsere Rucksäcke bei Correos in der Nähe der Kathedrale untergestellt hatten, sind wir in die Bar nebenan und haben mit Corinna und Bernd erstmal gefrühstückt. Man verabredete sich für ein letztes gemeinsames Mittagessen und jeder für sich schlenderte nochmals durch die noch ruhigen Gässchen Santiagos. Wir haben die frühe Stunde genutzt und berührten in der Kathedrale – ohne lange Schlange – Jakobus Schultern. Das hatten wir uns bei unserer Ankunft in SdC erspart.

Gern wollte Martina noch ins Pilgermuseum, das hatte leider wie viele andere Museen auch montags geschlossen.

Beim Bummel durch die Gassen haben wir in den unzähligen Geschäften an Pilgerfreunde von uns beiden gedacht. Wir haben aber auch an uns gedacht und für den Fall einer späteren Sanierung unserer Hausfassade etwas Schönes gefunden.

Im Alameda-Park haben wir beim Fotografieren der Kathedrale und der Altstadt Kijong kennengelernt. Er kommt aus Malaysia und besucht Santiago, um sich für einen späteren Pilgerweg vorzubereiten. Klar konnten wir ihn mit ganz vielen Tipps versorgen. Es ist bemerkenswert, wie sehr ein in sich ruhender Buddhist Freundlichkeit, Gelassenheit, Ruhe, Ausgeglichenheit und Sympathie ausstrahlen kann.

Dann trafen wir uns mit den beiden im Seminario Mayor – für uns definitiv die beste Adresse für ein ruhiges, leckeres Mittagessen im stilvollen Ambiente. Es war sehr schön, dass wir die beiden in den letzten Tagen so häufig getroffen haben. Nach einer sehr herzlichen Verabschiedung ging es für die beiden mit dem Bus zurück nach Porto (sie liefen ja den Camino Portugues) und morgen mit dem Flieger nach Hause. Wir sind mit dem Bus in Richtung Flughafen, so dass wir es morgen früh nicht so weit haben – unser Flieger geht 06:45 Uhr über Madrid nach Frankfurt.

Carsten hatte für die letzte Nacht die Herberge „Last 12k“ gebucht, weil sie fußläufig vom Flughafen liegt. Als wir in dem kleinen Weiler ankamen, waren wir total überrascht. Denn es war die kleine Kapelle mit der hübschen Herberge gegenüber, die wir auf unserer letzten Etappe vor Santiago bestaunt und fotografiert hatten. Scheinbar hatte Jakobus nochmals seine Hände im Spiel.

Dienstag morgen, 04:20 Uhr klingelt der Wecker, der Regen trommelt aufs Dachfenster. Eine letztes Mal satteln wir unsere Rucksäcke, ziehen die Caps über ziehen los. Unser Weg durch den Wald ist stockfinster, es ist aber nicht weit. 2 km und wir sind am Flughafen. Pünktlich geht unser Flieger nach Madrid, kurz umsteigen und weiter geht’s nach Frankfurt. Der ICE fährt kurze Zeit später los und wir gehen davon aus, dass wir am Nachmittag zu Hause sind.

18 Tage – wir sind doch gerade erst gestartet.

Es gab wieder viele Menschen auf dem Weg, denen wir begegnet sind, alle grüßt man mit Buen Camino, viele freut man sich immer mal wiederzusehen, manche sind einem sofort sympathisch und mit einigen verbringt man gern den einen oder anderen Kilometer oder auch die Abende – egal zu welchem Zeitpunkt des Caminos man diesen begegnet. Zu dieser letzten Gruppe gehören dieses Mal: Tobias und Gabor, Tanja und Adrian, Lisbeth und Henk, Nicole und Sönke, Corinna und Bernd sowie Claudin und ihr Mann Yvon. Allen ein herzliches Dankeschön, dass Ihr uns auf unserem Camino begleitet habt, ein Teil davon wart und zu dem gemacht habt, was er war – ein wunderbares Abenteuer.

Camino del Norte – Fazit

Der Camino del Norte ist ein interessanter, zum Teil anstrengender aber immer landschaftlich reizvoller Camino. Die unzähligen Küstenetappen entschädigen für die Regentage, die nicht so selten waren, oder auch für die eine oder andere Etappe mit vielen Höhenmetern. Die letzten 10 Tage verläuft der Weg durchs Landesinnere durch viele duftende Wälder, über Feld- und schöne alte Hohlwege.

Zahlen – Daten – Fakten

  • 37 reine Wandertage von Irun nach SdC + 5 Tage bis Kap Finisterre und Muxia
  • 826 km + 122 km = 948 km
  • ca. 1,5 Mio. Schritte
  • durchschnittlich 22,5 km/Etappe
  • 19.211 m bergan
  • fast 37 Menu del Dia und noch mehr Flaschen Wein
  • Übernachtungspreise für Pensionen und private Albergen schwanken nach Region, liegen aber meist zw. 40 und 50 Euro fürs DZ – bis auf ganz wenige Ausnahmen mit sehr guter Ausstattung

Jeder Camino ist anders. Vieles hängt von den Menschen ab, denen man begegnet und die ein Teil davon werden. Das Gefühl in Santiago anzukommen, unterschied sich sehr von dem vor 4 Jahren nach dem Camino Portugues. Natürlich wusste ich, was mich erwartet, die Emotionen waren aber nicht so stark. Ich glaube, dass es u. a. daran liegt, dass wir den Weg geteilt haben. Dies würde ich so nicht nochmal machen. Aber auch auf diesem Camino haben sich wieder viele kleine nette Begebenheiten für immer eingebrannt. Das war Jakobus – würde jetzt meine Jose aus Holland sagen.

Wir sind uns beide einig, dass wir die spanischen Jakobswege erstmal verlassen. Es gibt in und um Deutschland so schöne Langstreckenwege, die wir kennenlernen wollen. Die Infrastruktur der Herbergen und Wegeauszeichnung werden wir sicher manchmal vermissen. Mit Pilgern werden wir auf unseren Wegausschschilderungen und Herbergstreffen des Ökumenischen Pilgerweges weiterhin zu tun haben.

Wir danken den vielen Freunden und Bekannten, die uns begleitet haben, Danke für die lieben Kommentare und Anregungen.

Und denkt daran, es muss nicht der Jakobsweg sein – aber Jakobus wird Euch auf Euern Wegen begleiten – Ihr müsst Euch nur Zeit nehmen, um ihn zu spüren.

Buen Camino